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Partnersuche im Datenparadies «Schlechter Zeitpunkt für neue Dating-App»

Facebook soll eine Flirt-Funktion erhalten, wie Gründer Mark Zuckerberg an der hauseigenen Entwicklungskonferenz im kalifornischen San Jose ankündigte. Den Einstieg der wegen Datenschutzpraktiken kritisierten Nummer eins ins Geschäft mit der Partnersuche nimmt SRF-Digitalredaktor Jürg Tschirren unter die Lupe.

Jürg Tschirren

Digitalredaktor

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Jürg Tschirren hat Zeitgeschichte und Journalismus studiert. Er arbeitet seit 2007 für SRF und berichtet über IT, Kommunikation, Unterhaltungselektronik, digitale Distribution, soziale Netzwerke, Datenschutz, Computersicherheit und Games.

SRF News: Kann Facebook den vielen Dating-Apps gefährlich werden, darunter Tinder als der bekanntesten?

Jürg Tschirren: Der Vorteil von Facebook ist die immense Nutzerbasis von 2,2 Milliarden Menschen, die jeden Monat die App anwählen. Davon geben laut Zuckerberg 200 Millionen an, sie seien Singles. Die potenzielle Nutzerbasis macht damit ein Vielfaches der bisher beliebtesten Dating-App Tinder aus. Facebook wird ein grosser Konkurrent, auch wenn sich nicht alle 200 Millionen Singles aktiv anmelden, um das neue Angebot zu nutzen. Nicht von ungefähr hat die Tinder-Aktie auf die Ankündigung hin um fast einen Viertel nachgegeben.

Wie stehen die Erfolgschancen für Facebook?

Der Markt ist mit Dating-Apps ziemlich gesättigt und Neueinsteiger müssten sich wohl eine ganz bestimmte Nische suchen. Das dürfte auch Facebook tun, indem vor allem ältere Nutzer angesprochen werden, die gemäss Zuckerberg «bedeutungsvolle, langfristige» Beziehungen suchen. Im Gegensatz zu Tinder mit einem eher jüngeren Publikum, das Dates und kurze romantische Abenteuer sucht und nicht immer langfristige Beziehungen. Die Mehrheit der Facebook-Nutzerinnen und -Nutzer ist über 35 Jahre alt.

Viele Menschen haben kaum Lust, Facebook noch mehr Daten anzuvertrauen.

Wie wird Facebook sein soziales Netzwerk für die Partnersuche nutzen?

Auf die dieselbe Weise andere Dating-Apps. Bei Tinder war es bis vor kurzem Pflicht, dass man sich mit seinem Facebook-Profil einloggt. Auch Tinder hat Zugriff auf diese Facebook-Daten. Ein Algorithmus nutzt die Daten dann, um Gemeinsamkeiten festzustellen, etwa gemeinsame Freunde oder gemeinsame Interessen. Facebook will ausschliessen, dass das eigene Profil im Freundeskreis angezeigt wird. Ein weiteres Element sind die Events, für die man sich anmelden kann. Facebook will also nach meinem Verständnis, dass sich Menschen bei Veranstaltungen im richtigen Leben und nicht nur online kennenlernen können. Bei Apps wie Tinder chatten die Menschen häufig nur.

Will Facebook mit dem neuen Service wieder Vertrauen schaffen nach dem Skandal um Cambridge Analytica?

Zurzeit tut Facebook tatsächlich viel, um den Skandal vergessen zu machen. Es ist denkbar, dass hier ein Dating-Service helfen soll, von den Negativschlagzeilen abzulenken. Gleichzeitig ist es aber auch ein eher schlechter Zeitpunkt, um einen solchen Dienst vorzustellen. Denn viele Menschen sind sehr kritisch eingestellt und haben kaum Lust, Facebook noch mehr Daten anzuvertrauen. Vor allem, wenn es um so etwas Intimes wie die Partnersuche geht.

Das Gespräch führte Joël Hafner.

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