- Kunstwerke werden oft teuer gehandelt. Da wollen die Besitzer natürlich sicher sein, was sie kaufen. Ist ein Bild echt, manipuliert oder restauriert?
- Das Zollfreilager Genf erstellt neu eine Art Identitätskarte für Kunstwerke.
- Diese soll für mehr Transparenz sorgen und den Handel erleichtern.
- Über Besitzer und Herkunft eines Werkes sagt sie aber nichts aus.
Die Apparatur sieht unspektakulär aus. Es ist ein grosser Tisch mit aufgesetzter Box, im Innern hängt eine Kuppel voll mit kleinen Lampen. Das Ding gehört der Firma Artmyn. Das Spin-off der ETH Lausanne verkauft seine Erfindung weltweit an Auktionshäuser, Museen und Zollfreilager.
Alexandre Catsicas, Mitinhaber von Artmyn nennt das Gerät den «Dom». Die Form erinnere an die Domkuppel in Florenz, betont er, und nicht an eine Trockenhaube, wie dies Journalisten schon behauptet hätten.
Die Kuppel leuchtet Kunstwerke für Fotos aus. Etwa 50'000 Aufnahmen macht das Gerät pro Durchgang. Das Ergebnis ist ein detailliertes Abbild mit einer Informationsdichte von über einer Milliarde Pixel. «Wir haben etwas entwickelt, das wir den biometrischen Pass für Kunstwerke nennen», so Catsicas.
Biometrischer Pass passt ins Konzept
Der Restaurator Pierre-Antoine Héritier teilt die Begeisterung. Er ruft den Pass eines Landschaftsbildes auf, dreht das Bild, zoomt heran. Die Konturen verschwinden. Sichtbar wird ein buntes Relief, das jeden Pinselstrich erkennen lässt. Nicht einmal der Künstler habe sein Werk je so genau gesehen.
Das sei, als wäre man im Innern des Bildes, sagt Héritier. Der Restaurator wählt eine Stelle am Rand, um zu prüfen, ob dort Farbe abgeblättert ist. Er schaltet das Licht auf ultraviolett, mit Lichteinfall scharf über das Gemälde hinweg: «So genau betrachtet sieht man, dass da eine gewollte Auslassung ist, kein Schaden.»
Überzeugt von dem Pass für Kunstwerke zeigt sich auch der kaufmännische Direktor des Genfer Zollfreilagers, Gilbert Epars. Das Konzept sei sehr interessant und könnte zu einem neuen Standard im Kunsthandel werden.
Der Pass dokumentiert das Kunstwerk, nicht die Besitzverhältnisse, und auch nicht die Herkunft.
Das Zollfreilager bemüht sich, den Kunsthandel besser zu kontrollieren, weil das Lager die letzten Jahre als Schwachstelle für Geldwäscherei, Raubkunst und Terrorfinanzierung in die Kritik geraten war. Seit Januar müssen sich alle Besucher ausweisen. Pässe für Kunstwerke passen da gut ins Konzept.
Käufer können anonym bleiben
Das Genfer Zollfreilager hat seit Frühjahr einen «Dom» im Angebot. Das Erstellen eines Passes ist keine Pflicht. Aber schafft ein solcher wirklich Transparenz? Catsicas sagt: «Der Pass dokumentiert das Kunstwerk, nicht die Besitzverhältnisse, und auch nicht die Herkunft.»
Diskretion zu garantieren, sei sehr wichtig. «Der Pass erleichtert den Kunsthandel», so Catsicas. Wenn das Kunstwerk in Genf lagere, der Käufer aber in China lebe, dann könne er es dank digitalem Pass im Internet begutachten, ohne extra anreisen zu müssen. Man könnte auch sagen, ohne sich selbst der Identitätskontrolle am Zollfreilager unterziehen zu müssen.
Ob der digitale Pass für Kunstwerke den Handel transparenter macht oder aber die Kontrollen unterläuft, das wird die Zukunft zeigen.