Im Juli 1837 schrieb Charles Darwin «ich denke» in sein Notizbuch und zeichnete eine Skizze eines spindeldürren Baumes mit vielen Ästen. Der 28-jährige Naturforscher war kürzlich von einer wissenschaftlichen Reise von den Galapagos-Inseln zurückgekehrt, wo er grossen Spinnen, Echsen und vielen anderen seltsamen Wesen begegnet war.
Die Skizze war ein Stammbaum des Lebens, der erste Entwurf für Darwins bahnbrechendes Werk «Über den Ursprung der Arten», das rund 20 Jahre später publiziert wurde. Der Theorie, dass sich bestimmte Tiere im Laufe der Zeit aus anderen entwickelt haben und der Mensch nicht die Krone der Schöpfung, sondern ein naher Verwandter der Affen sei.
Damit hat Darwin viele bisherige Vorstellungen über das Leben und seine Ursprünge auf den Kopf gestellt – insbesondere, dass Gott alle Geschöpfe, grosse und kleine, erschaffen habe.
Notizbücher zuletzt vor 20 Jahren gesehen
Ausgerechnet diese Feldnotizen des britischen Forschers sind nun offenbar verschwunden. Zu diesem Schluss sind die Kuratoren der Universitätsbibliothek von Cambridge nach einer «ausgedehnten Suche» gekommen. Es sei herzzerreissend, sagte heute Jessica Gardner, die Bibliothekarin der Universität, gegenüber der BBC.
Die Notizbücher seien zuletzt im November 2000 gesehen worden, als diese ausserhalb der Bibliothek fotografiert worden seien. Die Fotos gibt es noch – aber die Notizbücher seien seither verschwunden. Dies stellte man jedoch erst zwei Monate später bei einer Routinekontrolle fest.
Suche dauerte fünf Jahre
Ursprünglich dachten die Bibliothekare, dass die Notizbücher vielleicht in ein falsches Regal geraten sind und machten sich auf die Suche. Diese dauerte fünf Jahre. Ein bisschen lang, könnte man denken. Angesichts der Grösse der Bibliothek jedoch vielleicht trotzdem nicht ganz überraschend. Die Bibliothek ist riesig und umfasst mehr als 200 Kilometer Regale, was in etwa der Entfernung von Lausanne nach Zürich entspricht. Sie beherbergt mehr als zehn Millionen Bücher, Karten und Manuskripte.
Zu Beginn dieses Jahres hat man noch einmal gesucht – aber immer noch keine Notizbücher. Dafür die wachsende Einsicht, dass diese wahrscheinlich nicht verlegt, sondern gestohlen wurden. Mittlerweile hat die Universität Cambridge bei der Polizei Anzeige erstattet. Darwins Notizbücher wurde ins britische Register für vermisste Kulturgüter aufgenommen – ebenso in die Interpol-Datenbank für gestohlene Kunstwerke.
Die Notizbücher sind klein und dünn, nicht grösser als eine Postkarte, haben jedoch einen immensen Wert. Fast unbezahlbar für die Gattung der Menschen und wahrscheinlich nur schwer verkäuflich für die Spezies der Langfinger.