Im November 2020 kauft sich eine junge Frau aus dem Kanton Graubünden ihr erstes Auto und löst dafür ein Nummernschild. Ein halbes Jahr später, im Juni 2021, trifft eine mysteriöse Rechnung aus London ein. Die Bündnerin – respektive ihre Autonummer – sei im März und Juni 2017 auf einer portugiesischen Autobahn gefahren. Sie schulde noch 33 Franken Mautgebühren von einer unbemannten Zahlstelle, schreibt eine englische Inkassofirma namens Euro Parking Collection.
«Ich dachte an Betrug»
Zuerst ignoriert die junge Lenkerin das Schreiben, sie denkt an Betrug: «Ich wusste ja, dass ich es nicht gewesen sein kann, da ich diese Nummer vor vier Jahren noch gar nicht hatte.»
und irgendwann ist man plötzlich bei mehreren hundert Franken
Als weitere Rechnungen und die erste Mahnung eintreffen wird sie stutzig. Zur Rechnung von 33 Franken kommen 62 Franken Mahngebühren hinzu. Dazu kommen neue Rechnungen – «und irgendwann ist man plötzlich bei mehreren hundert Franken», sagt die Betroffene zum SRF-Konsumentenmagazin «Espresso».
Inkassofirma droht mit Betreibung
Die Lenkerin loggt sich im Onlineportal der Inkassofirma mit ihrer Autonummer ein und gibt an, dass ihr das Nummernschild im Jahr 2017 nicht gehörte. Das Inkassobüro lehnt ihren Einspruch ab und droht stattdessen mit Betreibung. «Da wurde es mir schon ziemlich mulmig», erzählt die junge Bündnerin.
Keine Reaktion auf offizielle Bestätigung des Strassenverkehrsamts
Sie geht mit den Rechnungen zur Polizei. Dort heisst es, diese könnten durchaus echt sein, da Portugal bei den Mautgebühren grosse Verzögerungen habe. Der Rat: Auf dem Strassenverkehrsamt eine offizielle Bestätigung holen, dass diese Nummer erst seit November 2020 auf sie eingelöst ist.
Die Junglenkerin reicht diese Bestätigung bei Euro Parking ein. Und hört nichts. Ob jetzt definitiv Ruhe ist, oder ob der Spiessrutenlauf weitergeht, weiss sie nicht. Das Ganze kostet viel Nerven und Zeit.
Keine Antworten aus London
«Espresso» ruft in London bei Euro Parking an, um zu erfahren, weshalb man die junge Bündnerin trotz Unschuldsbeweis drangsaliert. Antworten gibt es zwar keine. Aber ein Brief, in dem steht, dass die Gebühren auf 25 Franken reduziert wurden. Dass die Betroffene rein gar nichts schuldet und dies auch beweisen kann, will die Inkassofirma nicht hören.
SRF-Rechtsexpertin: Betroffene hat nichts zu befürchten
Wenn eine private Firma zu Unrecht Gebühren eintreibt, müssen Betroffene nichts befürchten. Betreibungen aus dem Ausland seien eher selten, zudem können Betriebene in so einem Fall Rechtsvorschlag erheben, sagt die SRF-Rechtsexpertin.
Wichtig ist, dass man in so einem Fall alle möglichen Beweise einreicht. Tipp: Solche Dokumente sollte man in die jeweilige Landessprache übersetzen lassen.
In Italien haben wir die Erfahrung gemacht, dass es schnell rechtliche Verfahren gibt und diese sehr schnell teuer werden
Vorsicht bei Bussen aus dem Ausland
Bei einer Busse von einer offiziellen ausländischen Behörde liegt der Fall anders. Ist sie gerechtfertigt, muss sie unbedingt bezahlt werden. Wer Zweifel an der Richtigkeit einer Busse aus dem Ausland hat, wendet sich am besten an seine Rechtsschutzversicherung. «In Italien haben wir die Erfahrung gemacht, dass es schnell rechtliche Verfahren gibt und diese sehr schnell teuer werden», sagt Daniel Graf vom TCS.