Die Lausanner, die den Luzernern den Pilatus stehlen. Den Berg mit dem Namen, der auf der ganzen Welt bekannt ist und jedes Jahr von tausenden von Touristen besucht wird. Das wäre eine Geschichte. So einfach geht das aber nicht.
Pontius Pilatus – so berichten diverse historische Quellen- sei einige Jahre nach dem Tod Jesu nach Rom zurückgekehrt. Dann verliert sich Pilatus' Spur. Was geschah danach? Einer muss es wissen, Olivier Bauer. Er ist Theologieprofessor an der Universität Lausanne.
Bauer hat die Legende um Pilatus in Lausanne nicht losgelassen und er hat nachgeforscht. Pilatus habe wohl tatsächlich Selbstmord begangen, sagt er, doch nicht in Lausanne, sondern bereits in Rom.
Römer warfen Pilatus in den Tiber
Die Römer waren abergläubisch, hatten Angst, der Leichnam bringe Unheil. Deshalb wollten sie ihn loshaben. Als erstes hätten die Römer die Leiche in den Tiber geworfen, doch der Leichnam sei aus dem Fluss, der Rom durchquert, wieder aufgetaucht.
So berichtete es der Dominikaner Mönch Jacobus de Voragine im 13. Jahrhundert in seinen Schriften «Goldene Legenden». Die Römer hätten den Leichnam dann via See- und Flussweg aus der Stadt gebracht. Der Rhone entlang seien die sterblichen Überreste von Pilatus an verschiedenen Stellen versenkt worden.
Doch immer dasselbe Szenario: der Leichnam sei stets wieder aus dem Wasser aufgetaucht. Bis er im Genfersee bei Lausanne landete. Also doch! Denn hier endet die Erzählung aus dem Mittelalter. Daraus ist die Legende entstanden, dass Pilatus seine letzte Ruhe in der Romandie fand.
«Halt», sagt Olivier Bauer. Denn in anderen Quellen sei er auf eine Fortsetzung der Geschichte gestossen. Auch in Lausanne sei der Leichnam nämlich wieder aufgetaucht und es wurde nach einer neuen Lösung gesucht, ihn loszuwerden.
Der Leichnam sei weit weg gekarrt worden bis zu einem zerklüfteten Berg. Dass es sich dabei um den heutigen Pilatus in der Zentralschweiz handle, hält der Theologe für durchaus plausibel. Der Leichnam sei in einen Bergsee geworfen worden und bis heute nicht mehr aufgetaucht. Ob es Pilatus dort besonders gut gefalle oder ob es höhere Macht sei, lässt Bauer dahingestellt.
In der Zentralschweiz kann man also aufatmen: erzählt man die Geschichte von Pilatus in Lausanne zu Ende, gibt es keinen Grund, dass die Lausanner den Luzernern den Pilatus stehlen könnten.