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Reedereien mit eigenen Inseln «Auf den Inseln kann man weiter verdienen»

Der Genfer Kreuzfahrt-Anbieter MSC kauft sich eine eigene Insel auf den Bahamas – exklusiv für die eigenen Kreuzfahrttouristen. Das taten vereinzelt schon andere Reedereien, doch jetzt gewinnt die Idee an Dynamik, sagt der Tourismusexperte Thorsten Merkle von der Fachhochschule Graubünden.

Thorsten Merkle

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Thorsten Merkle ist Studienleiter Tourismus am Institut für Tourismus und Freizeit (ITF) der Fachhochschule Graubünden. Er forscht unter anderem in den Fachgebieten Besucherlenkung, Overtourism und Kreuzfahrttourismus.

SRF News: Reedereien mit eigenen Inseln für die Kundschaft – warum ist das Angebot gerade jetzt im Kommen?

Thorsten Merkle: Es gibt tatsächlich einen Trend, auch wenn die Idee nicht ganz neu ist. Das hat damit zu tun, dass die Kreuzfahrtindustrie momentan boomt. Viele Gäste sind auf Schiffen unterwegs. Der Kundschaft auf den exklusiveren Kreuzfahrten will man etwas Besonderes bieten. Mit privaten Ferienparadiesen im Angebot kann man sicher auch Ängste nehmen, da Terror und Krisen global zunehmen.

Warum muss es ausgerechnet eine Insel sein, würden nicht auch eigene Hotels reichen?

Ja, man könnte auch Hotels bauen. Die schwimmenden Hotels hat man aber schon. Es geht letztlich darum, die Wertschöpfungskette weitmöglichst zu integrieren. Die Kreuzfahrtunternehmen haben das Problem, dass sie die Gäste ab und zu an Land gehen lassen müssen. Sie hätten sie aber wegen der «Nebeneinnahmen» lieber auch da bei sich. Auf den eigenen Inseln kann man nämlich weiter verdienen, von der Strandkorb-Gebühr bis hin zu den verschiedensten Freizeitangeboten.

Es geht um Umsatzmaximierung. Dank der digitalen Bezahlmöglichkeiten kennen die Unternehmen ihre Kundschaft auch viel besser und können zielgerichtete Angebote machen. Ähnlich wie bei den Fluggesellschaften gibt es Kundenkarten, Vielfahrer- und Statusprogramme.

Es geht um die Integration der Wertschöpfungskette, also Umsatzmaximierung.
Autor: Thorsten Merkle Studienleiter, Institut für Tourismus, Fachhochschule Graubünden

Mit Thomas Cook ist nun gerade ein Unternehmen mit verschiedensten Angeboten aus einer Hand pleite gegangen. Ist das Risiko gross?

Das stimmt. Allerdings war Thomas Cook ein hochgradig diversifizierter global tätiger Reiseveranstalter mit eigenen Hotels und Airlines. Die zur Diskussion stehenden Reedereien hingegen betreiben ein weniger komplexes Geschäft. Es ist zwar sehr kapitalintensiv und diesbezüglich sind die Risiken hoch. Im Gesamtkonzept ist es aber überschaubar. Dazu kommen die gebauten Immobilien, also letztlich handelbare Gegenwerte, die schlimmstenfalls wieder abgestossen werden können.

Wird etwa Venedig profitieren, wenn nun die Touristinnen und Touristen auf Inseln parkiert werden?

Der Gedanke ist attraktiv. Allerdings ist es ein Tropfen auf den heissen Stein. Es sind erst wenige Reedereien im Geschäft. Auch sollen die Insel Exklusivität ausstrahlen. Man zielt ein gewisses Premium-Segment an. Die grosse Masse der Kreuzfahrten wird weiterhin an den Hotspots an Land gehen.

Das Gespräch führte Salvador Atasoy.

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