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Sarah Wiener verlangt Umdenken «Fleischkonsum hat uns nicht gesünder und glücklicher gemacht»

Um Tiere und Umwelt zu schonen, wird künstliches Fleisch hergestellt. Ein guter Anfang, mehr nicht, meint eine Köchin.

Fleischersatzprodukte sind heiss begehrt. Der Aktienkurs der US-amerikanischen Firma «Beyond Meat» explodierte nach dem Börsengang richtiggehend. Weniger Fleischkonsum – ergo kleinere Belastung der Umwelt. Das freut die Menschen, die sich für mehr Umweltschutz einsetzen. Für TV-Köchin Sarah Wiener muss im Bezug auf den Fleischkonsum aber ein Umdenken stattfinden.

Sarah Wiener

TV-Köchin

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Die 56-Jährige Deutsch-Österreicherin ist eine bekannte Fernseh-Köchin, Unternehmerin, Autorin, Politikerin und sitzt seit neustem auch im Europaparlament für die Grünen.

SRF News: Was ist gegen einen Burger einzuwenden, der aus rein pflanzlichen Stoffen besteht?

Sarah Wiener: Aus rein pflanzlichen Stoffen klingt so, als wäre das ein hundertprozentiges Naturprodukt, was diese Fleischimitate aber nicht sind. Um ein pflanzliches Protein oder ein Isolat so zu manipulieren, dass es wie Fleisch schmeckt, ist ein hoch industrieller chemischer Prozess notwendig, der wenig mit natürlichen Lebensmitteln oder mit natürlichem Geschmack zu tun hat.

Der Staat soll eingreifen, um die Monopolisierung von wenigen Grosskonzernen zu verhindern.

Das möchte ich als Köchin nicht. Das ist für mich erstmals eine Geschmacksfrage. Wenn ich kein Fleisch essen möchte, esse ich doch lieber Spaghetti mit Tomatensauce oder einen Brotsalat.

Produkte der Firma.
Legende: Fleischersatzprodukte der Firma «Beyond Meat» sind derzeit heiss begehrt. Keystone

Also Natürliches sollen wir essen, am liebsten Biofleisch von einem glücklichen Tier. Das können sich aber nicht alle leisten.

Das ist ein sozialer Aspekt. Man muss sich fragen, in welcher Welt wir leben, wenn sich ein bestimmter Teil der Bevölkerung kein gutes, gesundes, nachhaltiges und regionales Essen leisten kann. Das ist eine soziale und politische Frage, die wir angehen müssen.

Wie wollen Sie das angehen?

Es gibt verschiedene Ansätze. Wir brauchen nicht nur eine neue gemeinsame Agrarpolitik, um kleinbäuerliche nachhaltige Strukturen zu befördern und eine Vielfalt zu ermöglichen. Sondern auch neue nachhaltige Ernährungssysteme. Diese sollten dezentral und vielfältig sein und auf bestimmte klimatische Gegebenheiten und regionale Besonderheiten angepasst sein.

nahaufnahme Wiese.
Legende: Sarah Wiener möchte kleinbäuerliche und nachhaltige Strukturen fördern. Keystone

Es gibt zum Beispiel intensive ökologische Landwirtschaftsysteme, von denen keiner redet. Permakultur oder Agroforstsysteme, die viel mehr produzieren aber ökologisch und nachhaltig am Ende angelegt sind.

Der Staat soll also eingreifen und uns vorschreiben, was wir essen sollen?

Nein, der Staat soll eingreifen, um die Monopolisierung von wenigen Grosskonzernen zu verhindern. 90 Prozent des Weizenanbaus kommt von fünf Grosskonzernen, Agrochemie kommt von drei Grosskonzernen weltweit.

Die Lösung muss sein, dass wir weniger Fleisch essen.

Das ist keine Vielfalt. Wir brauchen eine faire Besteuerung von privaten transnationalen Giganten, die sich niemandem unterordnen und nur ihre eigene Gewinnmaximierung im Blick haben.

Nochmal zurück zu diesem Fleischersatz: Gibt es denn genügend glückliche Rinder, damit alle Fleischesser satt werden?

Nein, gibt es nicht. Wir wissen aber auch, dass es nicht gesund und auch unsinnig ist, so viel Fleisch zu essen. Es hat uns nicht glücklicher und gesünder gemacht und zerstört weite Flächen. Die Agroindustrie verursacht eine bestialische Tierhaltung. Die Lösung muss sein, dass wir weniger Fleisch essen und dafür die köstliche Vielfalt von Hülsenfrüchten, Getreide, Gemüse und Pflanzen ausnützen. Wir dürfen auch nicht glauben, dass einfache Lösungen wie Fleisch aus der Retorte das Problem lösen.

Nahaufnahme Wiener.
Legende: «Die Lösung muss sein, dass wir weniger Fleisch essen und dafür die köstliche Vielfalt von Hülsenfrüchten, Getreide, Gemüse und Pflanzen ausnützen.» Keystone

Also lieber Verzicht als Fleischersatz?

So würde ich es nicht sagen. Lieber eine vernünftige Beschränkung und somit etwas tun, was nicht nur für einem selbst gut ist, sondern auch für Tiere, die Umwelt und die Vielfalt auf dem Wasser und der Erde.

Das Gespräch führte Simone Hulliger.

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