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COPD: Leben mit Atemnot
Aus Puls vom 25.06.2018.
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Schlechte Luft macht krank Ein Dasein am Rande der Atemnot

COPD gilt als klassisches Raucherleiden. Doch auch Nichtraucherlungen sind dagegen nicht gefeit.

Je länger und stärker jemand raucht, desto stärker leiden darunter die Atemorgane bis einem schliesslich bei der kleinsten Belastung die Luft wegbleibt. Wörtlich.

Der Volksmund hat dafür einen griffigen Namen: Raucherlunge.

Das ist COPD

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COPD, die «chronisch obstruktive Lungenkrankheit», ist eine schwere Krankheit, die den Alltag der Betroffenen massiv einschränkt. Laut Schätzungen sind alleine in der Schweiz bereits über 400'000 Personen daran erkrankt. Doch obwohl das Leiden auf bestem Wege ist, die weltweit dritthäufigste Todesursache zu werden, ist sie nur den wenigsten Menschen ein Begriff.

Die «chronic obstructive pulmonary disease» wird verursacht durch giftige Partikel in der Luft, welche die Betroffenen einatmen: Zigarettenrauch, aber auch organische Staubpartikel oder chemische Abgase, verursacht durch Verkehr und Industrie.

Bei einigen Leuten lösen diese Schadstoffe eine allergische Immunreaktion aus. Die angegriffenen Bronchien schwellen an. Ihr inneres Volumen schrumpft, die Luft kann nicht mehr normal ein- und austreten. Nach ein paar Jahren haben diese Bronchien keine normale Struktur mehr. Die Auswürfe werden immer häufiger. Viren, Bakterien, Substanzen aus der Umwelt setzen sich im Innern dieser Bronchien fest und lassen sie anschwellen (Bronchial-Obstruktion).

COPD greift auch die Lungenflügel an. Diese sind bedeckt mit Millionen von Lungenbläschen. Jedes ein kleiner aufblasbarer Sack, durch den Sauerstoff ins Blut gelangt. Normalerweise tritt die Luft mit jedem Ausatmen wieder aus. Die kranken Lungenbläschen verlieren jedoch zusehends an Elastizität, bis sie schliesslich platzen. In den steifen Schrumpfungen bleibt die Luft gefangen, was zu einer Überblähung der Lunge führt. Das gefürchtete Lungenemphysem kann eine ein- oder beidseitige Lungentransplantation nötig machen.

COPD entwickelt sich schleichend, schrittweise, mit Verschlimmerungen – sogenannten Exazerbationen. Ein Infekt oder eine verschleppte Lungenentzündung führen schlagartig zu einer weiteren, nicht mehr rückgängig machbaren Verschlechterung. In einem fortgeschrittenen Stadium können die Lungen das Blut nicht mehr richtig mit Sauerstoff versorgen. Die Atemluft muss dann mit Hilfe einer sogenannten Sauerstoffbrille angereichert werden.

Völlig falsch ist der populäre Begriff nicht. Er wird einem grossen Teil der Betroffenen aber nicht gerecht.

Während man nämlich früher davon ausging, dass vielleicht 10 Prozent der COPD-Patienten keine Raucher sind, ist heute von über 30 Prozent die Rede. Von Menschen wie zum Beispiel Claudette Defaye.

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Claudette Defaye: Sprechen über das Leiden
Aus Puls vom 25.06.2018.
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Man hat das Gefühl, in einer Zwangsjacke zu stecken. Die Lunge ist wie eingeschnürt!

Claudette Defaye gehörte jahrzehntelang zu den bekannten Gesichtern des Westschweizer Fernsehens RTS. Früher nahm sie an Golfturnieren teil, heute lässt ihre eingeschränkte Atmung bestenfalls noch ein Spielchen mit Freunden zu. «Man hat das Gefühl, in einer Zwangsjacke zu stecken. Die Lunge ist wie eingeschnürt!»

Ihre verbleibende Energie verwendet sie darauf, öffentlich über die heimtückische Krankheit zu sprechen, die ihre Lungen und Bronchien angreift. «Es ist nicht angenehm aufzutreten, um zu sagen, man sei krank», betont Defaye.

Sie tut es trotzdem, weil sie umgeben sei von Leuten, denen es so schlecht gehe und die sich nicht ausdrücken können. Weil den meisten Menschen kaum bewusst sei, wie schwer dieses Leiden ist. Und weil es meist schon zu spät ist, wenn man die Symptome endlich wahrnimmt.

Asthmatiker, deren Krankheit gar nicht oder schlecht behandelt wird, haben eine zehnfache höhere Chance, COPD zu entwickeln als jemand ohne Asthma.

Claudette Defaye ist auch Asthmatikerin. Als die Anfälle immer schlimmer wurden, verabreichte man ihr damals einfach immer mehr Kortison. Deutlich höhere Dosen als heute. Was rückblickend mehr Schaden anrichtete als nützte: «Man weiss mittlerweile, dass Asthmatiker, deren Krankheit gar nicht oder schlecht behandelt wird, eine zehnfache höhere Chance haben, COPD zu entwickeln als jemand ohne Asthma», erklärt Pierre-Olivier Bridevaux, Leiter Pneumologie Spital Wallis.

Heute kämpft Claudette Defaye nicht mit einer, sondern mit zwei Krankheiten, dem sogenannten Asthma-COPD-Overlap-Syndrom.

Von dieser schweren und schwierig zu therapierenden Erkrankung dürften in der Schweiz mehrere Zehntausend Asthmatikerinnen und Asthmatiker betroffen sein. Genaue Zahlen gibt es nicht, denn nur schon bei der «normalen» COPD gehen Fachleute davon aus, dass jeder fünfte Fall nicht diagnostiziert ist.

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Monique Dewarrat: Hängen an der lebensrettenden Leine
Aus Puls vom 25.06.2018.
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Monique Dewarrat entspricht eher dem Klischee einer klassischen COPD-Patientin. 30 Jahre Zigarettenrauchen haben wesentlich dazu beigetragen, dass sie heute eine Sauerstoffbrille tragen muss. Seit vier Jahren sorgt die Vorrichtung auf der Nase für einen höheren Sauerstoffgehalt ihrer Atemluft.

Zum Kunststoffschlauch, der sie mit der Gasdruckflasche verbindet, hat die resolute Seniorin ein gespaltenes Verhältnis: «Wenn es mir schlecht geht, ist er eine Leine – mit allen negativen Bedeutungen. Geht es mir hingegen gut, ist er mein Lasso.»

Die Sauerstoffbrille trägt Monique Dewarret ständig. Aus medizinischer Sicht kein Muss, «aber jedes Mal, wenn ich mich bewegen will, müsste ich sie eh wieder aufsetzen.» Beim Kochen, wenn sie auf die Toilette muss, um die Tür zu öffnen oder ein Buch zu holen: ohne das Plus an Sauerstoff alles unmöglich. «Da ist es besser, man trägt sie ständig und spricht nicht mehr davon.»

Plötzlich bleibt die Luft weg und man denkt ‹Das war’s!›. Als wenn eine Plastiktüte über den Kopf gestülpt wäre... das ist äusserst beängstigend!

Wie es soweit kommen konnte? Monique Dewarrat ist sich sicher: «Der Tabak ist der Feind Nummer eins!» Es gab aber noch weitere Faktoren: Die chemischen Stoffe etwa, die sie beim Beizen ihres Hauses monatelang eingeatmet hat. Oder die altertümliche Holzheizung, bei der jedesmal Rauch austrat, wenn sie den Ofen öffnete, um ein Holzscheit nachzulegen.

Monique Dewarrat heizt heute anders. Und manchmal vergisst sie sogar ihre Krankheit für einen Moment. Dann will sie mit Schwung die Treppe hinaufsteigen – und wird jäh gestoppt. «Plötzlich bleibt die Luft weg und man denkt ‹Das war’s!›. Als wenn eine Plastiktüte über den Kopf gestülpt wäre... das ist äusserst beängstigend!»

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Monique Genta: Mehr Luft dank Spiralen in der Lunge
Aus Puls vom 25.06.2018.
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Monique Genta kennt das Gefühl nur zu gut. 40 Jahre lang folgte eine verschleppte Bronchitis auf die nächste, bis die Situation im Winter 2015 eskalierte. «Ich konnte nicht mehr atmen, hatte Panik, rang um Luft wie ein Fisch auf dem Trockenen.» Diagnose: COPD.

Eine gesunde Person braucht vielleicht zehn, fünfzehn Minuten zum Duschen. Bei mir dauert es eine bis anderthalb Stunden, bis ich mich nach dem Duschen anziehen kann.

Fortan hatte die Krankheit ihren Alltag im Griff. «Eine gesunde Person braucht vielleicht zehn, fünfzehn Minuten zum Duschen. Bei mir dauert es eine bis anderthalb Stunden, bis ich mich nach dem Duschen anziehen kann.»

In diesem Stadium rät man manchen Patienten zu einer Lungentransplantation. Monique Genta war dafür zu schwach. Stattdessen wurde auf anderem Weg mehr Platz für das noch gesunde Gewebe in den Lungenflügeln geschaffen. Mit einer Methode, die ohne einen einzigen Schnitt auskommt.

Durch ihre Luftröhre und Bronchien wurde ein Dutzend feiner Metallspiralen mit Formgedächtnis eingeführt. Einmal an Ort und Stelle, entfalteten sich die Spiralen, verdrängten die kaputten Zonen und schufen so mehr Raum für die noch intakten Bereiche.

Der Eingriff gibt den Patienten in der Regel 20 bis 30 Prozent ihrer Lungenfunktion zurück. Zwei Wochen danach konnte Monique Genta von eindrücklichen Fortschritten berichten: «Vorher war es schon viel, wenn ich mit meiner kleinen Hündin 50 Meter gehen konnte. Jetzt schaffe ich 500 Meter, ohne dass mir die Luft ausgeht!»

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Jean-Louis Favier: Risikoberuf Landwirt
Aus Puls vom 25.06.2018.
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Ein Leben ohne Zigaretten, dazu die gute Luft des französischen Jura. Und doch: Jean-Louis Favier hat COPD. Die Diagnose wurde vor drei Jahren gestellt, bei einer von seiner Versicherung organisierten Voruntersuchung. Bis dahin waren die Symptome vollkommen unerkannt geblieben.

Jean-Louis Favier ist Milchbauer und arbeitet seit seinem 18. Lebensjahr auf dem Hof, auf dem er geboren wurde. Rauchen? Die paar Glimmstängel, wenn man als Teenager versucht, dazuzugehören. Ansonsten: kein Thema. Seine drei Kinder sind Nichtraucher, seine Frau ebenfalls.

Wenn man gegen die 60 geht, schreibt man die Atemnot dem Alter zu, dem Übergewicht. Denkt sich, dass das wohl normal sei.

«Bei härterer Arbeit, wenn ich zu Fuss unterwegs war oder rennen musste, ging mir der Atem aus», erinnert er sich. «Wenn man gegen die 60 geht, schreibt man das dem Alter zu, dem Übergewicht. Denkt sich, dass das wohl normal sei.»

Weit gefehlt. Die Atemlosigkeit kam nicht vom Alter, sondern vom Heustaub, den Jean-Louis Favier zweimal täglich aufwirbelte, während er Hunderte von Tieren fütterte. Eine Filtermaske würde helfen. Die tragen aber nur die wenigsten Bauern wirklich konsequent.

Früherkennung lohnt sich

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COPD entwickelt sich schleichend. Betroffene nehmen die AHA-Symptome Auswurf, Husten, Atemnot bei Anstrengung nicht ernst oder interpretieren sie als normales Alterszeichen. Die Diagnose wird deshalb meist erst gestellt, wenn die Krankheit bereits einen grossen Teil der Lunge zerstört hat.

COPD lässt sich nicht heilen. Der Verlauf der Krankheit lässt sich bei frühzeitiger Erkennung aber stoppen oder zumindest bremsen.

Ein einfacher Lungenfunktionstest liefert wichtige Informationen. Wer drei der folgenden Fragen mit «Ja» beantwortet, sollte seinen Arzt oder seine Ärztin darauf ansprechen.

  • Rauche ich oder habe ich früher geraucht?
  • Huste ich häufig, auch wenn ich keine Erkältung habe?
  • Habe ich am Morgen Husten mit Auswurf?
  • Leide ich an Atemnot, besonders bei körperlicher Belastung?
  • Habe ich eine pfeifende Atmung?
  • Bin ich über 45 Jahre alt?
  • Leide ich an Asthma?

Weitere Informationen: www.lungenliga.ch/copd

Dass man in der Landwirtschaft einem erhöhten COPD-Risiko ausgesetzt ist, belegt eine vor zwei Jahren publizierte Studie, an der über 5000 französische Landwirte teilgenommen hatten. Fazit: Das ständige Einatmen von pflanzlichem Staub mit Mikroorganismen verdoppelt die Wahrscheinlichkeit einer Erkrankung.

Bei Schweine- und Geflügelzüchtern sind es Ammoniak-Dämpfe, Feinstoffe und Bakterien, die ebenfalls für eine besorgniserregende Zunahme der COPD-Fälle sorgen.

Aber nicht nur in der Landwirtschaft gefährdet der Beruf die Lungengesundheit: Wer bei der Arbeit ständig Staub, Rauch, Chemikalien einatmet, läuft grundsätzlich Gefahr, schleichend eine COPD zu entwickeln.

Das konsequente Tragen von Atemschutz würde helfen. Zum einen ist das aber nicht immer möglich. Zum anderen sind wir alle – ob gross, ob klein, berufstätig oder nicht – einem weiteren gewichtigen Risikofaktor schutzlos ausgeliefert: der Luftverschmutzung.

Seit fast 30 Jahren läuft die Sapaldia-Studie, die den Einfluss der Luftverschmutzung auf die Gesundheit der Atemwege und des Herzkreislaufsystems in der Schweiz untersucht.

Alle Daten deuten darauf hin, dass Luftverschmutzung das COPD-Risiko erhöht – und dass sie den schlechten Verlauf einer bestehenden Erkrankung fördert.

Nicole Probst-Hensch vom Schweizerischen Tropen- und Public-Health-Institut leitet die Studie und ist vom Zusammenhang zwischen Luftverschmutzung und COPD überzeugt: «Alle Daten deuten darauf hin, dass Luftverschmutzung das Risiko erhöht – und dass sie den schlechten Verlauf einer bestehenden Erkrankung fördert.»

Einen Grund sieht die Professorin darin, dass Feinstaub die Lungen so heftig angreift wie ein Bakterium. «Die Lunge reagiert auf diese Partikel mit einer Immun-Abwehr», also einer entzündlichen Reaktion. «Dann gibt es ultrafeine Partikel, die direkt ins Blut gelangen können und dort Entzündungen auslösen, welche die Lunge eventuell auch wieder belasten.» Daran werde gerade geforscht.

Wie gut ist die Luft in...?

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Das World Air Quality Index Project macht weltweit Echtzeitdaten zur Luftqualität verfügbar und zeigt auf einen Blick, wie schmutzig oder sauber die Luft gerade an einem Ort oder in einer Region ist.

So gut ist die Luft gerade in...

Zürich | Paris | London | New York | Moskau | Neu Dehli | Peking

Stark belastete Luft verdreifacht das Risiko, zusätzlich zum Asthma auch noch COPD zu entwickeln. Für Claudette Defaye, die Westschweizer TV-Ikone mit Asthma-COPD-Overlap-Syndrom, ist aus dem abstrakten Risiko ein beschwerlicher Alltag am Rande der Atemnot geworden.

Ähnliches möchte sie anderen ersparen und hat auch eine klare Meinung, wo anzusetzen wäre. «Ich glaube, man muss jetzt anfangen und alle Dieselfahrzeuge aus dem Verkehr ziehen!»

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