Sie arbeiten seit fast 30 Jahren zusammen. Jürg Conzett (*1956) und Gianfranco Bronzini (*1967) haben sich weitherum einen Ruf als Brückenbauer gemacht. Wie bekommt man als Ingenieure einen so bedeutenden Kunstpreis der Eidgenossenschaft?
Im Churer Büro von Jürg Conzett und Gianfranco Bronzini stehen zahlreiche Modelle. Beispielsweise vom Negrellisteg (2021) am Eingang zum Zürcher Hauptbahnhof. Die Fussgängerbrücke mit den geschwungenen Treppen scheint über dem Gleisfeld zu schweben und ist in kürzester Zeit zu einem Wahrzeichen der Stadt geworden. Bronzini: «Wir versuchen Bauten zu schaffen, die funktional und wirtschaftlich sind. Aber wir streben auch einen Mehrwert an, für die Menschen, die über den Negrellisteg gehen, und für die Baukunst. Am schönsten wäre es, wenn unsere Bauten in 100 Jahren denkmalgeschützt wären und man sie erhalten will, weil sie einen Mehrwert haben.»
Aber wir streben auch einen Mehrwert an, für die Menschen, die über den Negrellisteg gehen, und für die Baukunst.
Für Conzett und Bronzini ist es wichtig, ihre Modelle physisch vor sich zu sehen – und nicht nur als 3-D-Versionen am Computer. Jürg Conzett erklärt: «Eigentlich ist es nicht wichtig, dass ein Bau wie eine Skulptur aussieht. In unserer Arbeit geht es darum, dass man etwas Gescheites baut. Das ist in erster Linie eine Kopfarbeit. Aber wir bauen Modelle und möchten damit auch erfassen können, was wir mit diesen Projekten im Sinn haben. Und natürlich gibt es da auch einen Teil, der an die Sinne geht, der mit Schönheit zu tun hat. An sich ist unser Beruf ein technischer Beruf, aber er hat bei aller Technik offensichtlich auch etwas mit Kunst zu tun.»
Ein Besuch pro Jahreszeit
Während der Projektphase besuchen die beiden Bauingenieure einen Ort mindestens einmal pro Jahreszeit, um sich ein möglichst vollständiges Bild machen zu können. Es ist eine ganzheitliche, fast schon detektivische Herangehensweise. So war es auch beim Orrido di Cavaglia (2021) im Puschlav. Der 180 Meter lange Schluchtenweg mit Treppen und Stegen inmitten der Cavagliasco-Schlucht ist ein touristisches Projekt, mit minimalen Eingriffen in die Landschaft: ein paar wenige Kunstbauten aus einheimischem Stein und Gewölbe, die auf eine fast schon traditionelle Art gemauert wurden – gleich unter der über 110-jährigen Eisenbahnbrücke der Ingenieur-Pioniere der Rhätischen Bahn. Auch darin zeigt sich die Bedeutung der Ingenieurskunst von Conzett und Bronzini für die Baukultur, wie sie von der Jury des Schweizer Grand Prix Kunst / Prix Meret Oppenheim besonders hervorgehoben wird.
Conzett und Bronzini sind aber nicht nur berühmt für Brücken, die zu den schönsten der Schweiz zählen. Es gibt einen wichtigen denkmalpflegerischen Aspekt in ihrer Arbeit – in der Sanierung und im Erhalt von wichtigen Bauwerken der Ingenieurskunst. Und im Hochbau arbeiten sie mit so namhaften Architekten wie Peter Zumthor oder Diener & Diener zusammen.