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Schweizer Kulturexport Mani Matter auf Tschechisch – kein Problem

Der 34-jährige Tscheche Jan Repka hat 36 Lieder von Mani Matter in seine Muttersprache übersetzt. Er berührt die Menschen wie der berühmteste Berner Troubadour aller Zeiten im Originaldialekt. Viel Applaus an der CD-Taufe für das grösste Matter-Übersetzungsprojekt – natürlich im Bahnhof von Prag.

Draussen, auf Gleis 1, fährt ein Zug ab. Drinnen, im wunderschönen Foyer des Prager Hauptbahnhofs, singt einer «ds Lied vo de Bahnhöf». Jan Repka ist 34 Jahre alt. Vor zehn Jahren lernte er eine Schweizerin kennen und über sie das Werk von Mani Matter. Heute kennt er jede Zeile des Berner Chansonniers und also auch die vielen Eisenbahnen, die durch sein Werk fahren.

«Dr Mönsch isch wie dä wo der Zug het verpasst und sech d Frag nachher gstellt het: wieso.» Auch diese Zeilen tragen ihr tschechisches Kleid in müheloser Selbstverständlichkeit.

Darum eignet sich Matter so gut

«Rhythmisch finde ich die Lieder sehr verständlich. Ich kenne tschechische Lieder, die gleich strukturiert sind. Tschechisch ist sehr gut geeignet für Reime, wie das Berndeutsch», erzählt Repka. Gemeinsam haben die beiden Sprachen auch ihre Gelenkigkeit. Etwa in Matters sozialpolitischem Kürzesthit: «Dene wo's guet geit giengs besser giengs dene besser wo's weniger guet geit. Was aber nid geit oni dass es dene wos guet geit weniger guet geit.» Die Übersetzung ist so kompakt und geschmeidig wie das Original, das Publikum freut‘s.

«Mani Matter ging im Denken an seine Grenzen. Es geht nicht nur um Lieder, sondern um einen ganzen Lebensstil. Er ist für mich ein gutes Beispiel für einen denkenden Menschen», so Repka.

Eine ähnliche Liedtradition

Erste Übersetzungen machte er schon vor Jahren. Doch das Werk des Berners liess ihn nicht mehr los. In Konzerten spielt er zwischen eigenen Stücken immer auch ein paar Matter-Lieder. Und jetzt liegen 36 auf CD vor. Selten hat ein Mensch allein mehr getan zur Förderung und Verbreitung schweizerischen Kulturguts im Ausland.

Urs Bruderer

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Portrait von Urs Bruderer

Der Journalist wirkt seit 2006 für SRF, zunächst als Produzent der Sendung «Echo der Zeit». 2009 wurde er EU-Korrespondent in Brüssel. Seit 2014 berichtet Bruderer aus Osteuropa. Er hat Philosophie und Geschichte studiert.

Ein dickes Booklet bringt Matter den Tschechen nahe. Doch das sei gar nicht so schwierig, sagt Repka. Liedermacher wie Matter gebe es auch in Tschechien: «Sie sind keine grossen Sänger oder Musiker, aber sie können alles so verbinden, dass es tief und komplex und zugleich einfach ist. Die Mattersche Kunstform hat auch bei uns Tradition.»

«Ir Ysebahn» – nach Lanskroun

Bei Matter wird viel beleidigt, geprügelt und gestorben. Kommt Liebe oder Kunst ins Spiel, wird es lustig. Er misstraut den grossen Gefühlen. Humor macht die Wirklichkeit erträglich. Auch für all das fehlt es nicht an Verständnis im Lande des braven Soldaten Schwejk.

Ein Kinderspiel waren die Übersetzungen dennoch nicht: Jede gute Poesie ist sehr schwierig zu übersetzen. Repka hat an seinen Übertragungen lange herumgefeilt, um der Wirkung der Originale möglichst nahe zu kommen. Und so streiten die beiden auch heute wie bei Matter «Ir Ysebahn» darum, ob der recht hat, der nach vorne schaut, oder der, der zurückblickt. Nur kommen sie nicht in Rorschach an, sondern im tschechischen Städtchen Lanskroun.

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