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Aus für Klout – was kommt jetzt?
Aus HeuteMorgen vom 25.05.2018.
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Social Media Klout ist tot – die Idee dahinter nicht

Der Online-Dienst Klout wollte den Einfluss einer Person auf eine Zahl reduzieren. China plant ein ähnliches System.

Die Firma Klout aus San Francisco machte aus Menschen Zahlen: Sie wertete die verschiedenen Social-Media-Profile eines Nutzers aus und wies ihm dann einen Wert von 1 bis 100 zu. Wer auf 100 kam, konnte sich zu den einflussreichsten Persönlichkeiten der Welt zählen – Justin Bieber zum Beispiel. Wer unter 10 lag musste dringend an seinen Social-Media-Fähigkeiten arbeiten.

Doch damit ist nun Schluss. Anfang Mai gab Pete Hess, der CEO von Lithium Technologies, per Twitter bekannt, dass die Klout-Webseite und der sogenannte Klout-Score eingestellt werden. Lithium Technologies hatte den Dienst 2014 für geschätzte 200 Millionen Dollar übernommen. Heute, am 25. Mai 2018 werden sie ihn schliessen.

Klout passe nicht mehr zur strategischen Ausrichtung seiner Firma, begründet Hess den Schritt. Einer der Ursachen: Die neue Datenschutz-Grundverordnung der EU. Sie stellt einem Dienst wie Klout höhere Hürden als bisher in den Weg. Die neuen Datenschutzregeln werden ebenfalls ab heute in allen EU-Ländern angewandt. Sie gelten für alle Firmen, die mit Daten von Kunden aus der EU arbeiten.

Ein fiktiver Wert

Doch der Niedergang von Klout hat sich schon viel früher abgezeichnet. Beziehungsweise: Der Dienst kam gar nie richtig in Fahrt. Zwar bemühten sich manche Nutzer, ihren Klout-Score mit eifrigem Twittern und emsigen Aktivitäten auf anderen Social-Media-Kanälen in die Höhe zu treiben. Als rundherum akzeptierter Wert, der den Einfluss einer Person abbildet, konnte sich die Zahl aber nie durchsetzen.

Eine Frau mit einem Tablet-Computer in der Hand beugt sich zu einer ihr rechts gegenübersitzenden Frau hinunter.
Legende: Der Mensch auf eine Zahl reduziert: Zwei Frauen überprüfen ihren Klout-Score Imago

«Bei der Vermessung von ‘Einfluss’ ist viel Vorsicht geboten. Da vergleicht man schnell Äpfel mit Birnen», gibt Daniel Zuberbühler von der Agentur Sir Mary zu bedenken, die auf digitale Werbung spezialisiert ist. Dienste wie Klout kämen bei Sir Mary höchstens bei der Recherche zum Einsatz, um neue einflussreiche Gesichter für eine Kampagne zu finden.

Was auch Zuberbühler weiss: Mit dem tatsächlichen Einfluss einer Person war der Klout-Score nie gleichzusetzen. Der damalige US-Präsident Barack Obama hatte zum Beispiel einen niedrigeren Wert als Justin Bieber oder bestimmte Blogger. Der Algorithmus des Dienstes schien vor allem die Twitter-Aktivität eines Nutzers zu messen und setzte dort auf Quantität statt Qualität.

Fabian Plüss von der Agentur Kingfluencers verzichtet beim Influencer-Marketing deshalb auf Dienste wie Klout. «Bei der Bewertung der Social-Media-Aktivitäten einer Person sind uns qualitative Merkmale wichtig», sagt er. Und Klout könne das nicht messen – schon gar nicht über mehrere Social-Media-Plattformen hinweg. Der Dienst könne vielleicht quantitative Merkmale berücksichtigen, «aber die Menge an Tweets zum Beispiel lässt sich mit Bots und anderen Tricksereien einfach manipulieren.»

Auf einem Paket mit der Aufschrift «Cloud Perks» liegt ein Axe-Deodorant.
Legende: Klout Perks: In der Hoffnung auf Gratis-PR bemusterten Firmen Personen mit einem hohen Klout-Score mit Promotionsartikeln. Flickr/Harrison Weber

Mit dem Klout-Score war es deshalb wie mit einer Währung: Wenn niemand an deren Wert glaubt, dann verliert sie ihre Macht und niemand wird sie benutzen. Martin Widmer von der Agentur Equipe bringt das Problem mit Klout auf dem Punkt: «Wenn ich nicht von Kunden, Partnern und Lieferanten auf den Dienst angesprochen werde, ist er für mich auch nicht relevant.»

Chinas Klout heisst «Sozialkredit-System»

Die Angst, ein von undurchsichtigen Algorithmen festgelegter Wert könne bald unser Leben bestimmen, taugt bisher also höchstens als Schreckensszenario für Science-Fiction-Geschichten. Anders sieht es in autoritär regierten Ländern aus: Die Volksrepublik China hat im Juni 2014 die Einführung eines sogenannten Sozialkredit-Systems beschlossen. Das System funktioniert bisher auf freiwilliger Basis. Bis 2020 soll es aber für alle Bürgerinnen und Bürger Pflicht sein.

Das Sozialkredit-System ist ein Online-Rating-System, bei dem beispielsweise die Kreditwürdigkeit, das Strafregister und das soziale und politische Verhalten einer Person bewertet werden. In die Bewertung sollen auch Daten von Online-Diensten wie Alibaba, Tencent oder Baidu einfliessen. Selbst das Verhalten des Freundeskreises spielt eine Rolle. Das Ziel: Die chinesische Gesellschaft soll durch mehr Überwachung zu «mehr Aufrichtigkeit» im sozialen Verhalten erzogen werden.

Wer einen hohen Wert hat, der erhält beispielsweise mehr Vergünstigungen, einfacher eine Wohnung oder einen Führerschein. Wer einen niederen Wert hat, kann beispielsweise keine Auslandflüge buchen oder Visa beantragen. Zu letzterem sind bereits einige Fälle bekannt geworden.

Der Klout-Score konnte sich nicht durchsetzen, weil niemand, der nicht wollte, an seinen Wert glauben musste. Hinter dem Sozialkredit-System dagegen steht eine der mächtigsten Regierungen der Welt, die ihren Plan notfalls mit staatlicher Gewalt durchsetzen kann. Den chinesischen Bürgerinnen und Bürgern wird also gar nichts anderes übrigbleiben, als sich von diesem System bewerten zu lassen.

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