Das Timing und die Kulisse waren perfekt: Kurz nach Sonnenaufgang setzte das Flugzeug Solar Impulse 2 auf einer Landebahn im Urlaubsparadies Hawaii auf. Nur mit Sonnenenergie angetrieben hatte das grazile Leichtflugzeug gleich mehrere Rekorde aufgestellt.
Mit fast 8300 Kilometern war es die weiteste Distanz, die ein Solarflugzeug je hinter sich gebracht hat. Nach fünf Tagen und fünf Nächten alleine in dem kleinen Cockpit hat der Schweizer Pilot André Borschberg den Applaus für den längsten Alleinflug redlich verdient.
«Die Möglichkeiten der Solarkraft zeigen»
Strahlend zeigt sich Borschberg nach der Landung in seinem Cockpit. Die Erschöpfung ist dem 62-Jährigen kaum anzusehen. Nach dem hawaiianischen Willkommensgruss mit Blumenkränzen müssen sich die Schaulustigen aber eine Weile gedulden. Borschberg scheute die ersten Schritte wieder auf festem Boden, er bleibt zunächst in seinem Flugzeug sitzen.
Ein Physiotherapeut massiert ihm minutenlang die Beine, erst dann steht der Flugpionier vorsichtig auf und streckt die Arme jubelnd zum Himmel. «Ich hoffe, ich rieche nicht zu sehr», scherzt er vor Reportern.
Für Borschberg sei ein Traum in Erfüllung gegangen: «Sehr emotional, aber glücklich und dankbar, dass ich das machen konnte. Wir haben uns vor 12 Jahren getroffen und Bertrand hat die phantastische Idee gehabt, mit erneuerbarer Energie um die Welt zu fliegen und damit eine Botschaft mitzuteilen. Er hat mir die Möglichkeit gegeben, in diesem Projekt mitzumachen.»
Er sei nicht wirklich erschöpft, er hätte noch länger durchhalten können. Mit Yoga und Meditation habe er den Stress bewältigt. Seine Botschaft an die Welt: Ihm und seinem Kollegen, dem Luftfahrt-Pionier und Erfinder Bertrand Piccard (57), käme es vor allem darauf an, die Möglichkeiten der umweltfreundlichen Solarkraft aufzuzeigen.
Der Vater des Projekt, Bertrand Piccard, sprach kurz vor der Landung via Skype noch mit «10vor10»: «Es war das erste Mal, dass wir so viele Tag- und Nacht-Zyklen gemacht haben und heute, das war der Moment der Wahrheit, ‹the moment of truth›. Und jetzt ist das Flugzeug über Hawaii. Ich hatte Tränen in den Augen, es war so unglaublich – wir haben es geschafft.»
Auch auf den Notfall vorbereitet
Mehr als 17'000 Solarzellen sind auf den Flügeln von Solar Impulse 2 angebracht. Die 118 Flugstunden, in denen er nie mehr als 20 Minuten am Stück schlafen konnte, waren ein Wechselbad der Gefühle. Mal twitterte der Pilot Bilder traumhafter Sonnenuntergänge, mal schrieb er über Müdigkeit und die Sorge, einen Weg durch gefährliche Kaltfronten zu finden.
Seinen Humor verlor er bei dem langen Flug nicht. «Kann mir jemand ein gutes Steak House in Hawaii empfehlen?», twitterte er am Tag vor der Landung. Auf einen eventuellen Notfall bei der Pazifik-Überquerung hatte sich der frühere Militärpilot intensiv vorbereitet: «Wenn alles schief läuft, kann ich immer noch mit dem Fallschirm, einem Rettungsboot und Versorgungsgütern abspringen», hatte er vor dem Start der siebten Etappe in China erzählt.
Flugplan hängt auch weiterhin vom Wetter ab
Borschberg wechselt sich mit Piccard bei den Flugetappen ab. Solar Impulse 2 war Anfang März im Golfemirat Abu Dhabi gestartet und über Indien, den Himalaya und China nach Japan geflogen. Als nächstes steht die kürzere Pazifik-Überquerung von Hawaii an die US-Westküste an.
Der Abflugtermin hängt vom Wetter ab, vielleicht geht es schon in der kommenden Woche weiter. Zeit genug für eine Verschnaufpause auf Hawaii. Vielleicht werde er in den nächsten Tagen Wellenreiten gehen, sagte Borschberg, was man dem Abenteurer aufs Wort glaubt.