Am frühen Montagmorgen ist die Nasa-Sonde «New Horizons» am Himmelskörper «Ultima Thule» vorbeigeflogen – 6,5 Milliarden Kilometer von der Erde entfernt. Noch nie hat eine Raumsonde ein so weit entferntes Objekt besucht. Nun sendet die Sonde fortlaufend Daten der Begegnung zurück an die Erde. Was sich die Forscher davon erhoffen, erklärt der Astrophysiker Arnold Benz im Interview.
SRF News: Ist es das normal, dass eine solche Sonde ihr Ziel so weit von der Erde entfernt erreicht?
Arnold Benz: Nein, das ist absolut nicht normal. Es ist eine glänzende technische Leistung, die die Nasa hingelegt hat. Natürlich ist das Schwierige daran, Instrumente zu entwickeln, die so lange halten und auch nach über zehn Jahren noch funktionieren. Das ist erstaunlich.
Die Energieversorgung ist viel besser als bei früheren Sonden.
Wie kann man eine so weit entfernte Sonde so genau steuern?
Von «New Horizons» weiss man bis auf wenige Zentimeter genau, wo sie ist und auch wie schnell sie fliegt. Weil man aber nicht genau weiss, wo die anderen Himmelskörper sind, musste der Kurs einige Male korrigiert werden. Die letzte Korrektur war vor etwa zwei Monaten, als man etwa eine Minute lang die Triebwerke gezündet hat.
Welche Erkenntnisse erhoffen sich die Wissenschaftler von den «New Horizons»-Daten?
Dieses Objekt «Ultima Thule» ist speziell, weil es klein ist und sich deshalb durch die eigene Gravitation nicht gross verändert hat. Solche Objekte gab es in den Anfängen unseres Sonnensystems vor viereinhalb Milliarden Jahren auch in unserer Gegend des Sonnensystems. Diese formten sich dann zu Planeten. «Ultima Thule» befindet sich am Rand des Sonnensystems und da hat es zu wenig Material, als dass sich daraus Planeten bilden könnten. Also fliegen die Bruchstücke noch so herum, wie zu Anfangszeiten des Sonnensystems. Man kann also erforschen, wie es damals war.
Also wird man auch nachvollziehen können, wie das Sonnensystem und die Planeten entstanden sind?
Das ist die grosse Frage. Das weiss man nämlich noch nicht.
Die Sonde ist seit über zehn Jahren im All unterwegs und muss mit einer einzigen Ladung Treibstoff auskommen. Wie geht das?
Die Sonde fliegt auf einer komplizierten Bahn an verschiedenen Planeten vorbei und nimmt durch deren Anziehungskraft zusätzlich Schwung auf. Am Anfang verbrannte sie sehr viel Treibstoff, aber mittlerweile fliegt sie fast von selber, Treibstoff braucht es nur noch bei Kurskorrekturen. Neben flüssigen Treibstoffen hat die Sonde als Energiequelle auch radioaktives Plutonium dabei, das ziemlich viel Strom liefert. Die Energieversorgung ist viel besser als bei früheren Sonden.
Im Jahr 2035 soll «New Horizons» die Zone zwischen unserem Sonnensystem und dem interstellaren Raum erreichen. Was erhoffen sich die Forscher davon?
Die Sonde hat auch Messgeräte für Sonnenwind. Das wird interessant sein, zu sehen, was in dieser Zone genau passiert, wenn die Sonnenwind-Teilchen auf die Gase des interstellaren Raums treffen. Es gibt andere Sonden, die das auch schon gemessen haben, doch «New Horizons» hat bessere Instrumente.
Das Gespräch führte Marco Schnurrenberger.