Der Zuschauerraum ist bis auf den letzten Platz besetzt, aus den Lautsprechern erklingt Céline Dion. Im Wassertank schwimmen zwei Belugas. Synchron zur Musik führen sie eine Art Unterwasserballett auf. Immer wieder tun sie so, als küssten sie ihre Trainer. Mit ihren wendigen Körpern formen die Tiere ein Herz – zur Begeisterung des Publikums.
Begeistert von der Show zeigt sich auch eine Besucherin aus Schanghai. Gemeinsam mit ihrem Sohn ist sie in den Haichang-Ocean-Park an Schanghais Stadtrand gekommen. Sie sei beeindruckt davon, wie die Trainer mit den Belugas zusammenarbeiteten. Die Show sei sehr bewegend, fast habe sie weinen müssen. Mutter und Sohn mögen Parks wie diesen. Ausserdem sei es praktisch, sagt die Besucherin, weil man nicht allzu weit reisen müsse – besonders jetzt während der Pandemie.
«Etwas für die ganze Familie»
Ocean Parks sind in China ein boomendes Business, weiss Sofya Bahta von der Schanghaier Business-Consulting-Agentur Daxue. Immer mehr Menschen könnten es sich leisten, solche Parks zu besuchen. Dazu komme, dass es an vielen Orten an Outdoor-Freizeitmöglichkeiten mangle. Besonders gefragt seien deshalb solche Parks, in denen die ganze Familie gemeinsam etwas unternehmen könne.
In der Tat: Es sind viele Familien hier. Eltern schieben Kinderwagen vor sich her, Grosseltern spazieren mit Enkeln an der Hand durch die Menge. Über 80 solche Ocean Parks gibt es inzwischen in China, rund die Hälfte davon ist in den vergangenen fünf Jahren entstanden. Doch nicht alle in China sind von diesem boomenden Business begeistert.
Zum Beispiel Li Jiande. Der Taucher und Unterwasserfotograf ist gegen Ocean Parks, die Shows mit Meeressäugern veranstalten. «Diese Tiershows, ob mit Delfinen oder Weisswalen, brauchen sehr viel Platz. Egal wie gross der Park, er kann den Tieren nicht annähernd den Raum bieten, den sie in der freien Natur haben.»
In China macht die China Cetacean Alliance – die chinesische Allianz für Meeressäuger – mobil gegen Shows mit Delfinen und anderen Meeressäugern. Die Allianz besteht aus mehreren in- und ausländischen Tierschutzorganisationen. Auf Einladung der Allianz hat die US-Meeressäuger-Biologin und Aktivistin Naomi Rose in den vergangenen Jahren mehrere Parks in China besucht. Sie engagiert sich seit Jahrzehnten gegen Tiershows in Ocean Parks im Westen.
In einigen chinesischen Parks sei die Farbe in den Becken schon am Abblättern. «Ich habe einen Belugawal gesehen, der mit seinem Mund mit einem Stück abgeblätterter Farbe gespielt hat, es aufgesogen hat.» Auf Dauer sei dies sicher nicht gesund, so die Tierschützerin.
Die älteren Tiere würden in der Gefangenschaft einfach verrückt werden und sterben.
Seit ein paar Jahren gibt es in chinesischen Parks auch Orcas zu sehen, auch bekannt als Schwert- oder Killerwale. 15 Orcas wurden laut offiziellen Zahlen nach China importiert. Sie stammen aus Russland, wo sie – wie die Belugas – gefangen werden. Die Fänger würden die Walschulen mit einem grossen Netz umkreisen, so Rose. «Dann ziehen sie die Jungtiere raus.» Die älteren Tiere würden in der Gefangenschaft einfach verrückt werden und sterben. «Daher nehmen sie nur die Jungen und trennen sie von ihren Müttern.» Es sei einfach nur schrecklich.
Vor drei Jahren sorgten rund 100 gefangene Tiere über Russland hinaus für einen Aufschrei. Die Belugas und Orcas waren über Monate in einer speziellen Anlage im Meer auf kleinstem Raum eingesperrt und warteten dort auf ihren Abtransport. International wurde die Anlage als «Walgefängnis» angeprangert. Schliesslich schaltete sich sogar die russische Regierung ein, die Tiere mussten wieder freigelassen werden.
Interviewanfragen von SRF an den Haichang Park in Schanghai lehnte dieser ab. Auch schriftliche Anfragen zur Anzahl der Tiere und woher diese stammten wollte der Park nicht beantworten.
Wale nach Island in die Freiheit entlassen
Dass es auch anders geht, zeigte ein anderer Park in Schanghai. Die Changfeng-Ocean-World verkündete vor zwei Jahren, keine Shows mehr mit Meeressäugern zu veranstalten. Ausserdem entliess der Park zwei Belugas in die Freiheit, sie wurden in ein Reservat in Island umgesiedelt.
Im Haichang-Ocean-Park picknickt eine Familie unter einem Sonnenschirm. Sie hätten sich die Orcas und die Beluga-Shows angesehen, sagt die Mutter. Im Meer würde es den Tieren wahrscheinlich besser gehen, sagt der Vater nachdenklich, aber: «Wenn man sie im Meer beobachten will, muss man genau zu einer bestimmten Zeit hinfahren. Nur dann sieht man Tiere wie Belugas oder Orcas.»
In einem Ocean Park dagegen könne man die Tiere aus nächster Nähe sehen, wann immer man wolle, 365 Tage im Jahr.