Der Begriff «alternative Fakten» ist das deutsche «Unwort des Jahres» 2017. «Die Bezeichnung ist der verschleierende und irreführende Ausdruck für den Versuch, Falschbehauptungen als legitimes Mittel der öffentlichen Auseinandersetzung salonfähig zu machen», sagte die Jury-Sprecherin, Linguistik-Professorin Nina Janich, in Darmstadt. Der Ausdruck geht auf Donald Trumps Beraterin Kellyanne Conway zurück.
Die Juroren rügten zudem den Begriff «Shuttle Service» im Zusammenhang mit Seenotrettungseinsätzen von Nichtregierungsorganisationen im Mittelmeer für Menschen, die in Schlauchbooten flüchten. Der innenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Stephan Mayer, habe den Begriff benutzt. Nach Auffassung der Jury steht er «stellvertretend für Tendenzen im öffentlichen Sprachgebrauch, die Grenzen des Sagbaren in eine menschenverachtende, polemisch-zynische Richtung zu verschieben».
Trumps Siegesfeier als Auslöser
Ausserdem prangerten die Sprachwissenschaftler die Formulierung «Genderwahn» an. Mit diesem Ausdruck würden in konservativen bis rechtspopulistischen Kreisen zunehmend Bemühungen um Geschlechtergerechtigkeit in undifferenzierter Weise diffamiert.
Mit der Formulierung «alternative Fakten» hatte Trump-Beraterin Conway die falsche Tatsachenbehauptung bezeichnet, zur Amtseinführung des US-Präsidenten Anfang 2017 seien so viele Feiernde auf der Strasse gewesen wie nie zuvor bei entsprechender Gelegenheit.
«Der Ausdruck ist seitdem aber auch in Deutschland zum Synonym und Sinnbild für eine der besorgniserregendsten Tendenzen im öffentlichen Sprachgebrauch, vor allem auch in den sozialen Medien, geworden», sagte Janich. Er stehe «für die sich ausbreitende Praxis, den Austausch von Argumenten auf Faktenbasis durch nicht belegbare Behauptungen zu ersetzen». Der Ausdruck war 65 Mal vorgeschlagen worden.
Gegen das «Prinzip der Menschenwürde»
Die sechsköpfige Experten-Jury hat das «Unwort des Jahres» und die beiden anderen Unwörter aus 684 verschiedenen Vorschlägen ausgesucht. Nur etwa 80 bis 90 dieser Vorschläge entsprachen den Kriterien der sprachkritischen Aktion, wie Janich sagte. Daraus habe die Fachjury knapp 20 Wörter in die engere Wahl gezogen. Insgesamt wurden 1316 Einsendungen per Brief oder Mail gezählt.
Zum «Unwort des Jahres» wird seit 1991 jedes Jahr ein Begriff gekürt, der gegen das «Prinzip der Menschenwürde» oder gegen «Prinzipien der Demokratie» verstösst, weil er einzelne gesellschaftliche Gruppen diskriminiere oder «euphemistisch, verschleiernd oder gar irreführend» sei. 2016 war die Wahl auf «Volksverräter» gefallen, 2015 auf «Gutmensch».