In Bolivien versucht die Millionenmetropole La Paz, mit Seilbahnen die ewigen Staus zu beenden. Mit dem weltweit grössten Seilbahnnetz der Welt. 2014 ging in La Paz die erste Seilbahnlinie in Betrieb.
Mittlerweile gibt es acht Linien, welche die verschiedenen Quartiere von La Paz und der angrenzenden Satellitenstadt El Alto verbinden. Die Seilbahn hat das Stadtbild zwar grundlegend verändert, aber noch keine signifikante Verbesserung der täglichen Staus gebracht.
Gondel statt Minibus
Um acht Uhr Morgens stauen sich Sammeltaxis und Minibusse auf der mehrspurigen Hauptstrasse. Wer hier unterwegs ist, braucht Geduld. Rosario hingegen schwebt in einer Gondel hoch über den verstopften Strassen. Mit der Seilbahn komme sie viel schneller an den Arbeitsplatz, sagt sie.
Rosario lebt in der Stadt El Alto auf 4000 Metern Höhe und arbeitet im Stadtzentrum von La Paz. Würde sie jeden Arbeitsweg mit dem Minibus zurücklegen, bräuchte sie ein bis zwei Stunden pro Weg. Mit der Seilbahn verkürzt sich die Zeit auf 15 Minuten.
Nicht alle Quartiere erschlossen
Im Stadtzentrum wartet Jorge am Strassenrand auf einen Minibus. Er würde schon gern mit der Seilbahn pendeln. Doch es sehe nicht danach aus, als ob in seinem Quartier im Osten von La Paz eine Seilbahnlinie gebaut würde.
Jorge und Rosario zählen zu den rund zwei Millionen Menschen, die im Grossraum von La Paz leben und sich fortbewegen. Sie sehen in den Seilbahnlinien viele Vorteile. Sie sind schnell, sicher und benutzerfreundlich. Mit einer App auf dem Smartphone lässt sich die Reisezeit minutengenau ausrechnen. Das ist eine Revolution im öffentlichen Verkehrssystem von La Paz.
Ramiro Burgos ist verantwortlich für den öffentlichen Verkehr in der Stadtregierung. Der grösste Wandel, den die Seilbahn gebracht habe, sei die Zeitersparnis. Aber sie könne nicht unabhängig von den anderen Transportmitteln funktionieren. Gerade, weil nicht alle Quartiere erschlossen werden können.
Minibus-Chauffeure ohne Versicherung
Ein Aspekt dabei ist die Organisationsform der Minibus-Chauffeure. Die rund 30'000 Fahrer in La Paz de la Alto sind gewerkschaftlich organisiert und arbeiten auf eigene Rechnung. Sie haben keine Versicherung, kaum Ferien, keine Pension. Die Stadtregierung sei daran, die Minibus-Gewerkschaften zu überzeugen, ihre Organisationsform von einer Gewerkschaft zu einer Firma zu ändern. Nur so könnten die Fahrer mehr Sicherheiten erhalten. Im Gegensatz zu den Minibussen ist die Seilbahn ein staatliches Projekt.
Das Seilbahnnetz in La Paz ist mit Abstand das grösste und längste auf der Welt – und auch eines der teuersten. Rund 685 Millionen US-Dollar hat die Regierung von Präsident Evo Morales bisher investiert. Das liegt einerseits an der Topografie, denn La Paz liegt in einem Talkessel und der Höhenunterschied beträgt bis zu tausend Meter. Aber auch der zeitliche und politische Druck trieb die Kosten in die Höhe.
Trotz der Kosten sei die Seilbahn in La Paz ein wichtiger Schritt, sagt Ramiro Burgos. Denn die Seilbahn und der erste öffentliche Bus, der gleichzeitig mit der Seilbahn eingeführt wurde, deckten nur fünf Prozent der Nachfrage. 95 Prozent der Fahrten in der Stadt würden nach wie vor von Autos, Sammeltaxis und Minibussen abgewickelt. Für die Zukunft der Mobilität in der Stadt sei es deshalb zentral, dass diese mit der Seilbahn verknüpft werden können. Bereits nächstes Jahr sollen drei neue Seilbahnlinien dazukommen.