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Weltweite Quallenplage «Die Quallen werden von der Forschung vernachlässigt»

In diesen Tagen haben Quallenmeldungen aufgeschreckt. So wurden etwa in Mallorca zahlreiche Quallen angeschwemmt. Betroffen sind auch Strände an der Nordsee oder an der Nordostküste der USA und Kanadas. Forscherin Cornelia Jaspers gibt Entwarnung: Lebensgefährliche Arten seien in Europa nicht verbreitet.

Cornelia Jaspers

Quallenforscherin

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Cornelia Jaspers forscht am Geomar, dem Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung in Kiel, Deutschland. Sie hat sich auf Quallen spezialisiert.

SRF News: Hat es heute mehr Quallen als früher?

Cornelia Jaspers: Es ist schwierig zu sagen, ob es mehr Quallen gibt oder ob wir einfach sensibler dafür geworden sind. In vielen Regionen fehlen uns dazu nämlich die Langzeitdaten. Während Fischbestände schon seit über 100 Jahren beobachtet werden, ist das bei den Quallen nicht so. Aber man sieht in Gebieten, wo invasive Quallenarten auftreten, zum Beispiel in der Ostsee oder in der Nordsee, dass diese dort sehr stark zugenommen haben.

Warum?

Invasive Arten stammen eigentlich aus einem anderen Gebiet und sind mit menschlicher «Hilfe», als blinde Passagiere, meist im Stabilisierungswasser von grossen Containerschiffen über die Weltmeere transportiert worden. Wenn solche Organismen in ihrem neuen Lebensraum keine Feinde und auch keine Parasiten haben, die Krankheiten auslösen, können sie sich sehr gut vermehren.

Was ist mit den lebensgefährlichen Arten?

Diese gibt es in Europa glücklicherweise gar nicht. An der Ostküste Australiens gibt es die Würfelqualle. Sie ist nicht grösser als zwei Zentimeter im Durchmesser, hat aber sehr lange Tentakel und tödliche Gifte.

Man hat noch nie Quallen und Fische in einen Tank geschmissen und mal geschaut, was passiert.

In den betroffenen Gebieten darf man von November bis Mai nicht ohne Schutzanzug ins Wasser. Oder man steigt in einem Käfig ins Meer, der die Quallen zurückhält. In Australien breiten sich diese Quallen aus. Gerade im März waren wir dort unterwegs und haben mit vielen Fischern gesprochen, die zunehmend Probleme mit den Würfelquallen haben.

Breitet sich die oft gesehene Portugiesische Galeere aus?

Die Portugiesische Galeere ist keine Qualle im eigentlichen Sinn, sondern eine Kolonie aus Einzelindividuen. Sie kommt eigentlich im Mittelmeer nicht vor, wird aber von Wind und Wetter vom Atlantik über die Strasse von Gibraltar ins Mittelmeer gedriftet. In letzter Zeit gab es viele Anlandungen der Portugiesischen Galeere an den Balearen. Solche wetterbedingten Phänomene lassen aber keine Rückschlüsse darauf zu, ob es in den Weltmeeren mehr Portugiesische Galeeren gibt.

Haben Quallen natürliche Feinde?

Das ist auch ein Feld, das leider sehr schlecht untersucht ist. Es wird immer gesagt, Quallen würden hauptsächlich von Mondfischen und von Meeresschildkröten gefressen. Aber es mehren sich jetzt die Hinweise, dass auch Fische Quallen fressen. Aber erstaunlicherweise gibt es dazu überhaupt keine quantitativen Untersuchungen. Das heisst, man hat noch nie Quallen und Fische in einen Tank geschmissen und mal geschaut, was passiert. Das ist ein Forschungsthema, mit dem ich mich jetzt beschäftigen möchte. Wir haben 2014 in der Sargassosee gezeigt, dass der europäische Aal, der mittlerweile vom Aussterben bedroht ist, viele Quallen frisst.

Heisst das, man weiss bis jetzt nur wenig über Quallen?

Das ist leider wahr. Es gibt weltweit nur eine ganz kleine Gruppe von Forschern, die sich intensiv ausschliesslich mit Quallen beschäftigen. Weil die Quallen keinen direkten Nutzen für die Fischerei haben, sind sie lange Zeit vernachlässigt worden – und werden immer noch vernachlässigt.

Das Gespräch führte Ivana Pribakovic.

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