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Wohnen der Zukunft «Viel Wohnfläche allein macht nicht glücklich»

Wie smart wird unser Heim in 20 Jahren sein, und wie kommen wir mit weniger Fläche aus? Antworten einer Trendforscherin.

SRF News: Frau Strathern, wie und wo wohnen wir in 20 bis 30 Jahren?

Oona Strathern: Es werden immer mehr Leute in Städten wohnen, weltweit rund 75 Prozent der Bevölkerung bis 2030. Davon dürfte rund die Hälfte Singles sein. Zudem beanspruchen viel mehr ältere Leute über 60 Jahre Wohnraum. Darauf müssen Wohnungen und Wohnformen vermehrt ausgerichtet werden.

Viel Wohnfläche ist noch keine Lebensqualität.
Autor: Oona Strathern Trendforscherin

Wie zum Beispiel?

Die Wohnungen werden tendenziell kleiner sein, auch weil in den Städten das Bauen und der Patz dafür teuer ist. Es wird in Häusern also vermehrt gemeinschaftlich genutzte Bereiche geben wie etwa Begegnungszonen, Aufenthaltsräume, Fitness- oder Spa-Einrichtungen und daneben Privaträume. Diese Flächen sind verglichen mit heute kleiner. Doch weniger Fläche heisst nicht automatisch weniger Lebensqualität.

Zur Person

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Oona Strathern kommt aus London und ist seit gut 20 Jahren Trendforscherin, Beraterin und Autorin. Zuvor war sie für überregionale Zeitungen und Magazine sowie fürs Fernsehen tätig. Sie schrieb Bücher über die Geschichte der Futurologie oder die Architektur der Zukunft. Als Trend-Consultant arbeitete sie auch für internationale Konzerne.

Wenn es in Gebäuden genügend Gemeinschaftsorte für die Kommunikation und gesellschaftliche Bedürfnisse gibt, dann kann man gut mit weniger Wohnraum auskommen. Das zeigt das Beispiel der Siedlung «Collective» in London, wo die Bewohner für sich privat nur noch etwa 11 Quadratmeter zur Verfügung haben.

Und wie sehen künftige Wohnformen aus?

Die Leute werden noch weniger in fixen Familienstrukturen wohnen als heute. Patchworkfamilien sind wichtiger, auch andere Lebensformen. Es geht mehr um «Wahlverwandtschaften»: Ich suche mir also gleichgesinnte Leute aus, mit denen ich zusammenleben will. Wohnformen mit Gemeinschaftsräumen und privaten Rückzugsmöglichkeiten tragen dem Rechnung. Auch altersgerechte Wohnformen sollten der Vereinsamung entgegenwirken.

Welche Funktion hat die Wohnung für ihre Bewohner?

Trotz ihrer grossen Mobilität werden die Menschen auch weiterhin das Gefühl von Geborgenheit schätzen. Da spielt auch das Sicherheitsbedürfnis hinein. In einer Welt, die wir zunehmend als unsicher empfinden, kann eine Wohnung ein geeigneter Rückzugsort und eine Wohlfühlzone sein.

Arbeiten zu Hause wird auch wichtiger werden, wobei das klassische «Homeoffice» vermehrt abgelöst wird von gemeinsam genutzten «Co-working-spaces». Hier habe ich auch wieder die Möglichkeit zu Sozialkontakten und arbeite nicht allein in meinen vier Wänden. Das kann so aussehen, dass sich in einem Mietshaus oben Wohnungen befinden und unten Arbeitsräume für Bewohner, die nicht ins Büro gehen müssen.

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Da müssen die Architekten aber noch stark umdenken?

Ja, es müssen vermehrt Häuser und Siedlungen entstehen, die neue Wohn- und Lebensformen ermöglichen: arbeiten und wohnen gleichzeitig, sowie Familien und Einzelpersonen unter dem gleichen Dach. Vielleicht sogar noch mit Gästezimmern für Besucher oder Fremde.

Die Architektur der Zukunft soll Flexibilität in allen Bereichen ermöglichen und keine Generationen-Ghettos errichten. So sollte es auch möglich sein, für einige Jahre zur eigenen Wohnung einen Raum hinzu zu mieten, wenn eine Familie grösser wird oder sich jemand um eine pflegebedürftige Person kümmern muss.

Wie smart oder intelligent wird denn das Heim der Zukunft sein?

Unter smarter Wohntechnologie versteht man die Vollautomatisierung des Wohnens. Mehr oder minder autonome Steuerungen von Licht oder Wärme etwa durch die Jalousien, aber auch Energie-Steuerungen oder Sicherheitsinstallationen. Das kann teilweise sinnvoll sein, führt aber letztlich dazu, dass das Haus gleichsam zur perfekten Hülle wird.

Nicht das Haus, wir müssen smart sein.
Autor: Oona Strathern Trendforscherin

Doch wollen wir wirklich so leben? Leben ist doch auch Chaos. Wer einen lebendigen Haushalt betritt, findet ein kreatives Durcheinander vor das von Kommunikation geprägt ist und nicht von Automation. Statt unserem Haus sollten wir smart sein.

Und wie steht es mit dem intelligenten Kühlschrank, der entnommene Lebensmittel automatisch wieder bestellt?

Gerade die Küche sollte ein Ort der Kommunikation sein. Auch Kreativität gehört hier hin, was intelligente Geräte eher verhindern. Bei der smarten Küche scheint mir die Faszination für die Technologie oft grösser zu sein als der wirkliche Nutzen. Und sprechen nicht vor allem Männer vom «Smart Home»?

Können wir uns dieses Wohnen der Zukunft finanziell noch leisten?

Ja. Wenn die Wohnfläche kleiner ist, dann wird es auch günstiger. Doch man sollte auch über neue Finanzierungsformen nachdenken neben dem klassischen Mieten oder Kaufen. Leasing könnte ein Thema sein. Zudem wollen sich junge Leute immer weniger binden und flexibel bleiben, auch im Sinn von teilen statt besitzen. Da sollte Wohnraum auch mal nur kurz genutzt werden können ohne lang dauernde Mietverträge.

Das Gespräch führte Christoph Stricker.

(Sendebezug: SRF 4 News, 25.01.2017, 11:00 Uhr)

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