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Partyleben nach Lockdown «Ich weiss nicht, ich kann keine Kristallkugel lesen»

Katja Reichenstein vom Verein Shiftmode, der das Hafenareal bespielt und Clubbetreiber Valentin Aschwanden von der Taskforce Nachtkultur wissen nicht, ob und wann das Partyleben von zuvor zurück kehrt.

Regionaljournal Basel: Katja Reichenstein, Valentin Aschwanden, erinnern Sie sich noch an die letzte grosse Party vor Corona?

Katja Reichenstein: Bei uns im Hafen liegt das weit zurück. Das war die After-Party von «Beat on the street» und das war Ende August letzten Jahres.

Valentin Aschwanden: Ab Ende Februar kamen die Einschränkungen des Bundes peu à peu. Unsere letzte Party war Anfang März. Damals wussten wir aber bereits, dass weitere Massnahmen kommen könnten.

Mit welchem Gefühl gingen Sie in diesen Abend?

VA: Mit einem ungewissen Gefühl. Damals waren noch einige Hundert Leute erlaubt, aber wir wussten nicht, was noch kommen wird und so war es kein sehr schöner Abend für uns als Betreiber.

Dann kam der Lockdown und nichts lief mehr, wie war diese Zeit?

VA: Schwierig. Am Anfang war vieles ungewiss. Was passiert mit dem Personal? Gibt es Kurzarbeit? Was passiert mit denen, die im Stundenlohn angestellt sind? Und dann, als vieles klarer wurde, genoss ich diese Entschleunigung irgendwie. Aber ich wusste nicht, wann gehts los, was muss ich absagen, was kann ich verschieben und auf wann... das war keine einfache Situation.

Katja Reichenstein, wie nutzten Sie diese Zeit im Hafen?

KR: Als der Lockdown kam war nur noch ein Projekt in Betrieb, der «Hafechäs», das einzige Projekt, das auch im Winter offen ist. Das ist kein Partyort, sondern ein Fondue-Restaurant mit zuweilen ganz kleinen Konzerten. Aber wir mussten den «Hafechäs» dann schliessen und die Fondue-Saison vorzeitig beenden. Auch wenn die anderen Betriebe dann plangemäss noch geschlossen hatten, bemerkten wir, dass es keine Standartplanung geben wird. Die Wintersaison war vorzeitig beendet, die Frühlingssaison stand in der Schwebe und der Saisonstart kommt wohl erst im Sommer. Wir liessen die Vorbereitungen dann einfach bleiben. Es ging ja stets die Anzahl zugelassener Personen. Wir haben aber keinen Raum und deshalb können wir die Anzahl Menschen nicht kontrollieren. Wir können keinen Türsteher ans Areal stellen. Bei uns sind manchmal 2000 Leute auf dem Areal. Wir wussten also, dass wir alles loslassen müssen.

Irgendwann kamen die ersten Lockerungen. Wie sah das bei Ihnen im Lokal aus?

VA: Für unsere Moral war es extrem wichtig, dass wir endlich wieder anfangen konnten. Die Erleichterung war gross, auch wenn das Öffnen mit viel Aufwand verbunden war und es auch finanziell nicht aufging.

Sie haben dann angefangen Tagespartys zu machen. Funktioniert das?

VA: Tagespartys starteten wir wegen der frühen Polizeistunde während Corona. Mit der Dachterrasse haben wir gute Voraussetzungen und es kommt auch gut an bei den Leuten. Wir werden das beibehalten.

Jetzt sind wieder deutlich mehr Leute zugelassen. Dieses Wochenende dürfen Sie zudem erstmals wieder bis nach Mitternacht offen halten. Ist jetzt bei Ihnen alles gut, Katja Reichenstein?

KR: Ganz und gar nicht. In unserem Fall bleibt die Situation so schwierig wie zuvor, weil bei uns vieles nicht kontrollierbar ist. Wir müssten das Areal absperren. Aber das ist kaum möglich und gegen unsere Philosophie, dass der Hafen allen gehört. Wir bleiben deshalb auch in Zukunft ruhig und unspektakulär. Ich denke, wir sind derzeit in einer prekäreren Situation als die Clubs, eben weil der Hafen offen ist.

Geht bei Ihnen die grosse Party wieder los dieses Wochenende, Valentin Aschwanden?

VA: Nein. Viele meinen, dass ich 1000 Leute hereinlassen darf. Aber so einfach geht das nicht. Wir müssten die Leute wegen der Nachverfolgung möglicher Infektionen in Sektoren von bis zu 300 Leuten einteilen. Zwischen diesen Sektoren dürfen sich die Leute nicht mischen und das ist in einem Club schlicht unmöglich. Für uns ändert sich diesbezüglich also nichts, wir werden trotz 1000-Leute-Regel weiterhin nur 300 Gäste hereinlassen können. Weil die Polizeistunde aufgehoben ist, werden wir vereinzelt auch nächtliche Events machen. Tagespartys machen wir aber weiterhin.

Was bedeutet das finanziell für Ihre Clubs?

VA: Als wir wieder öffnen konnten, machten wir etwa 30 Prozent des normalen Umsatzes. Die Leute mussten Abstand halten und in kleinen Gruppen zusammen stehen und das ändert ihr Konsumverhalten. Der Personalaufwand bleibt aber gleich, denn dieses muss viel mehr kontrollieren und so weiter. Diese 300-Leute-Events sind eine finanzielle Entlastung, es ist aber noch immer alles sehr prekär.

Welche Hilfe haben Sie bekommen?

VA: Wir haben schnell runtergefahren und Kurzarbeit beantragt und profitieren auch von der Drittelslösung bei Mieten. Laufende Kosten hatten wir natürlich weiterhin und beantragten deshalb einen Hilfskredit, unter anderen auch darum, weil wir nicht wissen, wie lange es dauert.

Sie sind Mitglied der Taskforce Nachtkultur und letzte Woche habt Ihr Euch getroffen. Wie war die Stimmung bei Clubbetreibern?

VA: Diese Sitzung war gleichzeitig wie die Medienkonferenz des Bundes, der Lockerungsschritte verkündete. Viele waren also ständig am Handy und schauten, was beschlossen wurde. Das war lustig. Ich bin sehr froh, dass etwas geht, denn die Nachtkultur ist für Basel und die Attraktivität und den Standort Basel. Auch die vielen Leute, die nach Basel kommen, um hier zu arbeiten, wollen Kultur und Nachtleben.

Wie sieht die Zukunft des Nachtlebens aus, kommt es zum grossen Clubsterben?

VA: Der eine oder andere Betrieb geht sicher ein. Wir werden das aber überstehen.

Wird es ein anderes Feiern geben in Zukunft, wird es wieder Menschenmassen geben wie vor Corona?

KR: Ich weiss nicht, ich bin keine Kristallkugelleserin. Aber ich habe das Gefühl, dass es ein leichtes Umdenken gibt und auch die Lust auf etwas anderes da ist. Vielleicht ist es auch eine Chance, einiges etwas zu redimensionieren und anders zu funktionieren. Aber ich habe keine Ahnung, wie das rauskommen wird. Zweite Welle? Das wissen wir alles nicht. Wir machen aber keine Panik, wir nehmen es, wie es kommt.

Sie haben die zweite Welle angesprochen. Bei der ersten Welle waren ja teilweise die Clubs die Treiber der Pandemie, beispielsweise in einem Club im Skiort Ischgl. Haben Sie Angst?

VA: Ja, das schwingt immer mit. Auch die Frage, was passiert, wenn eine zweite Welle kommt. Ich glaube, wir sind jetzt viel besser vorbereitet und von den Behörden wurden Gefässe geschaffen, wie das alles speditiver gehen könnte.

Dennoch kann man Abstände in einem Club ja nicht einhalten.

VA: Ja, das ist eine Illusion. Deshalb gibt es ja spezielle Schutzkonzepte für Orte, wo man nicht immer Abstand hält und auch keine Masken trägt.

Katja Reichenstein, im September wollen Sie ihr Leuchtturmschiff im Hafen eröffnen. Sind sie zuversichtlich?

KR: Ja. Es ist geplant, im September zu öffnen. Aber gleichzeitig sagen wir, wir öffnen, wenn wir fertig sind und wenn wir ein gutes Gefühl haben. Wir werden die Eröffnung natürlich auf Fakten basiert planen. Aber schlussendlich muss Lebensfreude und Natürlichkeit zurückkommen. Ob das Schiff tatsächlich im September eröffnet wird oder erst an Silvester – wir werden es sehen. Es sind neue Zeiten und wir freuen uns auch auf diese neuen Zeiten.

Reichenstein und Aschwanden

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Katja Reichenstein ist seit vielen Jahren als Zwischennutzerin in Basel bekannt. Sie bespielt mit ihrem Verein Shiftmode unter anderem Teile des Hafenareals. Valentin Aschwanden ist Mitglied der Taskforce Nachtkultur, die die Politik ins Leben rief, und Betreiber von «Das Viertel», «Balz-Bar» und «Conto 4056».

SRF 1, Regionaljournal Basel, 17:30 Uhr ; 

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