Das Wichtigste in Kürze
- Die Berner Behörden haben erneut mehrere Coiffeur-Salons kontrolliert, in denen Haarschnitte zu ungewöhnlich tiefen Preisen angeboten werden.
- Direkte Hinweise auf Ausbeutung fanden sich nicht, wohl aber Verdachtsmomente auf prekäre Arbeitsverhältnisse.
- Die Rede ist von einem «Schleier der Intransparenz». Weitere Abklärungen laufen.
Das Polizeiinspektorat/Fremdenpolizei der Stadt Bern hat am 13. Juli 2017 in vier Coiffeursalons Kontrollen durchgeführt, dies in Zusammenarbeit mit der Orts- und Gewerbepolizei sowie der Arbeitsmarktkontrolle Bern.
Wie Alexander Ott, Leiter von Polizeiinspektorat/Fremdenpolizei, gegenüber «10vor10» sagt, fanden die Kontrollen wegen verschiedenen Verdachtsmomenten und Hinweisen in Bezug auf illegalen Aufenthalt, Arbeiten ohne Bewilligung, nicht entrichtete Sozialabgaben und Versicherungsbeiträge, prekäre Arbeitsbedingungen und ausbeuterische Löhne statt. Erst vor drei Monaten wurden vier andere Coiffeur-Salons in der Stadt kontrolliert.
Die Geschäfte sind den Behörden offenbar aufgefallen, weil sie Haarschnitte zu unüblich tiefen Preisen anbieten, oft unter 20 Franken, und dies an Standorten, wo die Monatsmiete mehrere Tausend Franken betragen kann. Der Verdacht: Solche Dumpingpreise sind nur möglich, wenn den Arbeitenden extrem tiefe Löhne bezahlt werden, sie also allenfalls ausgebeutet werden.
Bund will Ausbeutung und Menschenhandel stärker bekämpfen
Die Kontrollen des Polizeiinspektorats/Fremdenpolizei fanden auch im Kontext eines verstärkten Kampfes gegen Menschenhandel statt. Denn Menschenhandel und die Arbeitsausbeutung sind eng miteinander verflochten.
So ist die Arbeitsausbeutung auch ein Schwerpunkt im Nationalen Aktionsplan gegen Menschenhandel 2017 – 2020, den das Bundesamt für Polizei Fedpol vor kurzem veröffentlich hat. Darin heisst es, die Strafverfolgung habe sich in der Vergangenheit sehr auf Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung konzentriert. Jetzt will der Bund vermehrt Ausbeutung von Arbeitskraft bekämpfen und gezielt mögliche Opfer identifizieren.
Bei den Kontrollen in der Stadt Bern, die «10vor10» begleitete, ergaben sich keine direkten Hinweise auf Menschenhandel. Allerdings ergaben sich mehrere Verdachtsmomente auf möglicherweise prekäre Arbeitsbedingungen. Bei den angetroffenen Verhältnissen ist vieles unklar, nicht fassbar. Die Beamten orten einen «Schleier der Intransparenz». Nun laufen bei den Berner Behörden weitere Abklärungen. Ob es zu Anzeigen kommt, ist noch unklar. Die Geschäftsführer und möglichen Angestellten sind somit nicht Gegenstand von Strafverfahren.
Bevölkerung soll Verdacht melden
Wo prekäre Arbeitsverhältnisse herrschen, da ist der Weg zum Menschenhandel oft nicht weg, sind Experten überzeugt. Besonders Personen ohne Aufenthalts- oder Arbeitsbewilligung sind gefährdet, in eine Abhängigkeit zu geraten, wenn sie beispielsweise Schulden abbezahlen müssen. In der Schweiz bestehe die Gefahr für Ausbeutung und möglichen Menschenhandel auch etwa bei Hausangestellten, auf dem Bau, in der Gastronomie oder anderen Dienstleistungen.