Prolog, die Idee: In einer Beiz hat alles angefangen, sagt Franz Müller, späterer Leiter des Fusionsprojekts und damaliger Gemeinderat von Kirchdorf. Irgenwann im ersten Jahrzehnt des neuen Jahrhunderts sass er nach einer Gemeinderatssitzung am Stammtisch und sagte: «Warum fusionieren wir eigentlich nicht?» Ein Ratskollege erwiderte: «Psssst. Sprich nicht so laut!» Diese Reaktion war deutlich.
Akt I, das Projekt: Jahre später, irgenwann im zweiten Jahrzehnt des neuen Jahrhunderts, kommt die Idee dann doch auf den Tisch. Bei einem Fondue diskutieren die Gemeindepräsidenten der fünf involvierten Gemeinden Kirchdorf, Mühledorf, Noflen, Gelterfingen und Gerzensee die Möglichkeit einer Fusion. Alle willigen ein, die Idee in die jeweiligen Gemeinden zu tragen und dort die Meinungen einzuholen. Alle sind einverstanden, eine Fusion zu prüfen.
Akt II, Gerzensee will nicht: Die drei Kleinstgemeinden Gelterfingen, Noflen und Mühledorf haben an einer Fusion nichts auszusetzen. Sie profitieren am meisten und hätten ohne Fusion die grösseren Probleme. Doch die Situation in Kirchdorf und in Gerzensee ist eine andere: «Es gab immer schon eine gewisse Rivalität zwischen diesen Gemeinden», so Franz Müller.
In Kirchdorf hat man das Gefühl, in Gerzensee schaut man auf uns herunter.
Rational erklären könne er diese nicht. Am Stammtisch erzählen Männer von der speziellen geographischen Lage Gerzensees am Berg: «In Kirchdorf hat man das Gefühl, sie schauen auf uns Bauerndörfer herunter.» Diese Rivalität macht sich auch an den Gemeindeversammlungen bemerkbar.
Während sich 2014 die drei kleinen Gemeinden deutlich für eine Fusion aussprechen, sind die Resultate in Kirchdorf und Gerzensee anders. Kirchdorf stimmt nur knapp Ja, in Gerzensee gibt es gar ein deutliches Nein zur Fusion. «Es gab einfach zu wenige klare Vorteile einer Fusion», sagt der Gemeindepräsident von Gerzensee, Stefan Lehmann.
Akt III, das Kleeblatt will doch: Trotz der Absage der grössten Gemeinde Gerzensee wollen die übrigen vier Gemeinden weiter über eine Fusion nachdenken. «Es machte einfach Sinn», so der Kirchdorfer Fusionsprojektleiter Franz Müller. Bei der Feuerwehr und der Schule arbeitet man eh schon zusammen, wieso nicht auch noch auf der Gemeindeverwaltung, so die Argumentation.
«Ab dem Zeitpunkt, an dem Gerzensee das Fusionsprojekt verlassen hat, verschwand auch die Opposition in Kirchdorf», sagt Franz Müller. Und so kam es, dass 2017 alle vier beteiligten Gemeinden einer Fusion zur Gemeinde Kirchdorf zustimmten.
Akt IV, heute: Zwei Jahre sind seit der Fusion vergangen. Der damalige Projektleiter Franz Müller blickt zurück: «Ich bin auch heute noch der Meinung, dass wir richtig entschieden haben.»
Würde er etwas anders machen aus heutiger Sicht? «Nein.» Auch der heutige Gemeindepräsident von Kirchdorf, Samuel Moser, ist sich sicher, dass die Fusion richtig war.
In Gerzensee ist man ebenfalls zufrieden damit, wie sich die Dinge entwickelt haben: Der Alleingang sei richtig gewesen. «Ich würde wieder Nein stimmen», sagt ein Mann am Stammtisch. Und auch der Gemeindepräsident ist glücklich.
Akt V, der Blick in die Kristallkugel: «Falls Gerzensee doch zu uns kommen will, würden wir das natürlich prüfen», so das Angebot vom Gemeindepräsidenten aus Kirchdorf. Und der damalige Fusionsprojektleiter Franz Müller ist der Meinung: «Wir auf dem Berg gehören doch irgendwie zusammen.»
Wir auf dem Berg gehören doch irgendwie zusammen.
«Ob wir künftig einmal fusionieren, das steht in den Sternen. Vielleicht schon. Wenn, dann aber wahrscheinlich nicht mit Kirchdorf», sagt Stefan Lehmann, Gemeindepräsident von Gerzensee. Es gebe andere Nachbargemeinden, die mehr Vorteile brächten.