- Während dem Bau des AKW Gösgens gab es im Sommer 1977 heftige Kundgebungen.
- Demonstranten besetzten die Zufahrtswege, die Polizei setzte unter anderem Tränengas ein.
- Mehrere Demonstranten wurden nach den Vorfall verhört, angeklagt und verurteilt.
Es ist ein warmer Augusttag, mitten im Sommer 2017. Drei Herren treffen sich auf einer Strasse im Solothurner Bezirk Gösgen, und kommen ins Reden. Sie haben sich zuvor in ihrem Leben erst ein einziges Mal getroffen. Doch diese Begegnung ist den Männern in Erinnerung geblieben. Alle drei waren sie am gleichen Ereignis anwesend. Allerdings aus verschiedenen Gründen. Und schliesslich trafen sie unfreiwillig aufeinander, an jenem 2. Juli 1977, vor 40 Jahren.
Mehrere 1000 Demonstranten marschieren an jenem Tag von Olten aus zum Kernkraftwerk Gösgen, um gegen die Atomenergie zu demonstrieren und die Zufahrten zur Baustelle zu besetzen. Anfangs bleibt alles friedlich, der amtierende Regierungsrat Godi Wyss versucht noch, per Megafon aus einem Auto die Demonstranten zum Abzug zu bewegen. Erfolglos.
Die Polizei setzt Wasserwerfer, Tränengas und vereinzelt auch Gummischrot ein, um die Demonstranten zu vertreiben. Werner Stocker, 32-jährig, ist ganz vorne mit dabei. So weit vorne, dass er von einer Tränengas-Petarde getroffen wird. Er wird nur leicht verletzt. Er und sein Kollege Ruedi Wahl, 26-jährig, gehören zu den Mitorganisatoren der Kundgebung gegen Atomenergie.
Heute, 40 Jahre später, stehen die beiden Männer auf der gleichen Strasse, auf der damals die Situation eskalierte und Stocker verletzt wurde. Neben ihnen steht Walter Straumann, ehemaliger Solothurner Regierungsrat und Baudirektor. Auch Straumann steht an jenem Tag im Sommer 1977 hier in der Region, und beobachtet die Kundgebung.
Der damals 34-Jährige ist als Untersuchungsrichter anwesend. Falls es zu Verstössen kommt, muss er noch vor Ort Verhöre durchführen. Genau das passiert dann auch nach den Kundgebungen. Ruedi Wahl wird am nächsten Tag um 6 Uhr abgeholt und auf den Polizeiposten nach Dulliken gebracht.
Doch Wahl denkt nicht daran, zu kooperieren: Er schweigt, verweigert die Aussage, ärgert die Polizisten. Untersuchungsrichter Straumann wird geholt. «Er war nicht so glücklich mit uns. Er meinte, ein Töfflidieb könne ja auch nicht einfach schweigen, sonst könnte die Justiz ja den Laden dicht machen», erinnert sich Ruedi Wahl. Heute freuen sich die drei Herren über dieses Zusammentreffen und, dass sie versöhnlich über das sprechen können, was damals im Sommer 1997 geschah.