Die Geschichte der Übersetzung der Bibel ins Rätoromanische beginnt im Jahr 1560. Die Evangelische Kirchgemeinde Chur hat in Zusammenarbeit mit der Kantonsbibliothek, dem Dicziunari Rumantsch Grischun, und Radiotelevisiun Svizra Rumantscha eine Ausstellung konzipiert. Verantwortlich ist Christina Tuor, Professorin für Neues Testament.
SRF News: Wir stehen vor einer Vitrine mit verschiedenen alten rätoromanischen Bibeln. Ein Exemplar aus dem Jahr 1560 fällt auf, was ist speziell daran?
Christina Tuor: Das ist die erste Bibel, die ins Romanische übersetzt worden ist, das Neue Testament. Sie kommt aus dem Engadin. Eines der drei gezeigten Exemplare ist aufgeschlagen, man sieht die Titelseite, das ist nicht alltäglich.
Warum?
Gerade bei diesen alten Engadiner Bibeln sieht man oft, dass die Titelseite herausgerissen wurde. Die Historiker deuten dies so, dass man in der Zeit der Gegenreformation das Buch unkenntlich machen wollte und deshalb die Seite entfernt hat.
Machen wir einen Zeitsprung. Mehr als 100 Jahre später im Jahr 1679 erscheint die erste Gesamtausgabe der Bibel auf Rätoromanisch. Wieso dauerte es so lange?
Es gab Wegbereiter für diese «Bibla da Scuol». Man hatte bereits einzelne Bücher aus dem Alten Testament übersetzt, es gab schon früh Psalmenbücher. Aber ich denke, es war eine Kostenfrage, der Druck einer solchen Bibel war enorm teuer. Es brauchte Theologen, welche die Zeit und das Geld dafür hatten.
Obschon diese erste Gesamtausgabe der Bibel sehr teuer war, hat man praktisch in jedem reformierten Haushalt ein Exemplar davon angetroffen. Wie teuer war ein solches Buch?
Der Preis in Naturalien lag etwa beim Wert einer Kuh. Wenn man bedenkt, dass man früher vielleicht zwei oder drei Tiere hatte, war das ein Vermögen.
Wie erwähnt fand man aber in vielen Haushalten eine solche Bibel. Hat das dazu gehört, um ein guter Christ zu sein damals?
Ich habe mir das immer so vorgestellt: Vermutlich lasen die Leute damals nicht jeden Tag in der Bibel, die mussten auch arbeiten. Aber eine Bibel im Haus zu haben, bedeutete auch, das Wort Gottes im Haus zu haben. Das könnte eine Zuversicht gegeben haben mit Blick auf die Zukunft oder Schicksalsschläge.