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Region entdecken Kaiserstuhl: «Wir sind eine andere Klientel, eine städtische»

Wenn man will, hat man die Hauptgasse von Kaiserstuhl sehr schnell durchschritten. Steil geht sie hinab vom Bahnhof zum Rhein. Gesäumt ist sie von Häusern, die alle mehrere hundert Jahre alt sind.

Coiffeur
Legende: SRF/Stefan Ulrich

Wenn man es nicht eilig hat und die schönen Fassaden bestaunen kann, fällt einem vielleicht der Städtli-Coiffeur auf. Seit zwei Jahren gibt es dieses Geschäft. Es laufe gut, dank seriöser Arbeit könne man sich gegen die billigere Konkurrenz ennet der deutschen Grenze behaupten, sagt die Geschäftsführerin gegenüber SRF.

Per Zufall kommt gerade der Präsident von «Pro Kaiserstuhl» ins Coiffeur-Geschäft. Der Verein kümmert sich um das kulturelle Leben im Städtchen. Der Präsident weiss alles über die Ortschaft. Er kann zum Beispiel erklären, dass der Ortsname nichts mit einem Kaiser und auch nichts mit einem Stuhl zu tun habe. Nein, Kaiserstuhl sei eine geografische Bezeichnung. «Kaiser bedeutet Erhöhung und Stuhl ist eine Geländeform, es ist das steile Gelände auf der anderen Seite des Rheins, ergo Kaiserstuhl.»

Und der «Pro Kaiserstuhl»-Präsident vertritt auch dezidiert die Meinung, dass die Gemeinde städtisch ticke und nicht dörflich. Das sehe man jeweils an den Abstimmungsresultaten. «Der Bezirk Zurzach ist CVP- und SVP-lastig. In Kaiserstuhl haben wir aber eine andere Klientel, eine städtische Klientel.» Also eine linke Wählerschaft? «Es geht in diese Richtung.»

Alte Häuser in Kaiserstuhl
Legende: SRF/Stefan Ulrich

Nach Kaiserstuhl zieht man nicht, wenn man sich den Traum vom Eigenheim im Grünen verwirklichen will. Die Gemeinde besteht praktisch nur aus Altstadthäusern, viele davon haben keinen Lift. Man wohnt eng aufeinander, städtisch eben. Die Einwohnerdichte pro Quadratkilometer beträgt in Kaiserstuhl fast 1400 Personen. Zum Vergleich: Ein Dorf wie Gontenschwil hat eine Dichte von nur 270 Einwohnern pro Quadratkilometer.

«Man kennt sich, man weiss viel voneinander und man hilft einander». Das sagen auch die Betreiberin des Städtliladens in Kaiserstuhl und ihre Kundin, die im Städtchen geboren ist und praktisch ihr ganzes Leben hier verbracht hat.

Kasse im Stadtlädeli
Legende: SRF/Stefan Ulrich

Auch sie betonen, dass das Leben in Kaiserstuhl städtisch geprägt sei und nicht dörflich. Wichtig sei die Kultur, zum Beispiel das Stadttheater, die Kaiserbühne.

Im Gespräch mit den Stadtbewohnern erhält man noch weitere Hinweise darauf, warum die Mentalität städtisch sei und nicht ländlich-dörflich. Eine wichtige Rolle spiele die Lage.

Rheinbrücke
Legende: SRF/Stefan Ulrich

Kaiserstuhl liegt im nordöstlichsten Zipfel des Aargaus. Es grenzt an den Kanton Zürich, der Rhein bildet die Grenze zu Deutschland, der Rest ist Aargau. Neben dieser «internationalen» Lage prägt auch die Geschichte das Denken der Menschen.

Gegründet wurde die Stadt von den Regensbergern, also von einem Adelsgeschlecht aus dem Kanton Zürich. Später stand sie 500 Jahre lang unter der Regentschaft des Bischofs von Konstanz, der sie zusammen mit seinen Ländereien in Hohentengen verwaltete. Die Stadtkirche von Kaiserstuhl liegt eigentlich in Hohentengen und dort, so der Dorfhistoriker, gebe es auch noch viel Gräber von Kaiserstuhler Familien.

Haus in Kaiserstuhl
Legende: SRF/Stefan Ulrich

Aber der grösste Unterschied zum Leben im Dorf, das betont auch ein junger Familienvater, der gerade mit dem Kinderwagen den Zug nach Bülach besteigt, sei der, dass man in Kaiserstuhl nicht den Einfamilienhaus-Groove habe. «Ich finde, wir sind Städter, mit dem Vorteil des Dorfes. Es ist überschaubar, aber die Strukturen sind städtisch. Wir sind zusammengebaut und man wohnt eng zusammen, halt wie in der Grossstadt. Und gerade darum kennt man sich.»

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