Das Zurich Film Festival geht ins zweite Jahrzehnt. Sind Sie mit dem Festival jetzt da, wo Sie in den letzten elf Jahren hinkommen wollten?
Karl Spoerri: Das kann ich so nicht beantworten. Jedes Jahr geht’s ein Stück weiter, und wir haben uns keine genauen Vorstellungen gemacht, wo wir genau hinwollen. Aber wir sind mit der Entwicklung und dem Prozess, den wir hinter uns haben, sehr zufrieden.
Sie sind kein Premierenfestival, auch der Wettbewerb nicht. Ist das ein Fernziel des ZFF?
Das stimmt so nicht: Wir haben 14 Weltpremieren in verschiedenen Kategorien. Aber das grösste Ziel des Festivals ist nicht der Premierenstatus. Die Filmfestivals in Toronto und Venedig und unser Partner in San Sebastián sind viel grösser und deren Märkte sehr wichtig. Es wäre naiv zu glauben, dass wir hier in Zürich die grossen Weltpremieren haben können. Wir wollen einfach die besten Filme zeigen.
Ein wichtiger Zweig von Filmfestivals ist der Markt, wo sich die Filmindustrie trifft, wo Filme gekauft und verkauft werden. Ist es ein Ziel, in Zürich auch einen grossen Filmmarkt aufzubauen?
Nein. Wir veranstalten stattdessen das «Zurich Summit», eine Plattform für Unternehmer, Führungskräfte und Kreative der Film-, Entertainment- und Media-Branche. Das geht mehr in die Richtung eines «Entertainment WEF», das wir hier machen, keinen Markt. Davon gibt es genügend mit Berlin, Cannes und dem European Film Market.
Wagen Sie den Blick in die Zukunft: In welche Richtung geht das Zurich Film Festival?
Das Festival entwickelt sich parallel zu den extremen Veränderungen in unserem Geschäft. Es ist ja noch nicht lange her, als wir vor elf Jahren angefangen haben. Da war alles noch analog. Wir hatten hier im Büro noch 35-mm-Kopien herumliegen und mussten extra Leute für den Transport anstellen, weil die so schwer waren.
Heute kommt alles auf Harddisks. Die technologische Entwicklung ist so dramatisch im Filmgeschäft – man weiss gar nicht, wo das hingehen wird. Aber ich kann nicht in die Glaskugel schauen. Ich weiss noch nicht, wie sich diese technologischen Veränderungen auf die Struktur unseres Festivals auswirken werden.
Es gibt auch einen kleinen Wettbewerb: «ZFF72». Hier werden in 72 Stunden 72-sekündige Filme produziert und auf YouTube präsentiert. Verschiebt sich so die Aufmerksamkeit eines jungen filminteressierten Publikums aus dem Kinosaal hinaus zu den mobilen Geräten?
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Das ist eine Entwicklung, die sicher stattfindet. Das Rad kann man nicht zurückdrehen, auch wenn man das möchte. Trotzdem hat das Kino eine grosse Chance: Im Kinoraum besteht die Möglichkeit, einen Fokus zu wahren. Man setzt sich ins Kino und ist auf den Film fokussiert. Wenn die Qualität des Kinos stimmt, die Leinwand, der Sitz, wenn das Gesamtangebot stimmt und man dann die Möglichkeit hat, mit seinen Freunden so ein gemeinsames Erlebnis zu haben, dann ist das einzigartig.
Das wird es sehr lange noch geben, die Welt geht immer noch gerne ins Kino. Und gerade Festivals bieten dieses Gesamterlebnis. Es gilt, diesen Eventcharakter, den der Kinobesuch hat, am Festival noch mehr herauszustreichen. Dann hat das Festival eine gute Zukunft.
Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kultur kompakt, 24.9.15, 6:50 Uhr