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Ein Prozess wegen Tierquälerei endet mit einem unerwarteten Urteil
Aus Regionaljournal Aargau Solothurn vom 05.06.2020. Bild: Keystone
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Urteil zu Tierquälerei Schweinezüchter freigesprochen, Kritik an Tierschutzkontrollen

Die Vorwürfe: Anlässlich einer Kontrolle Ende 2017 stellte das Aargauer Veterinäramt in einer Schweinezucht im Ruedertal diverse mutmassliche Verstösse gegen das Tierschutzgesetz fest. Unter anderem seien kranke Tiere nicht richtig behandelt worden, andere hätten zu wenig Licht in ihrem Stall-Abteil gehabt.

Der Vorwurf lautete auf Tierquälerei durch Vernachlässigung. In der Folge wurde der Schweinezüchter per Strafbefehl verurteilt zu einer bedingten Geldstrafe von 20 Tagessätzen à 230 Franken und einer Busse von 900 Franken.

Tierschutz-Fälle im Aargau

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Die Staatsanwaltschaft behandelt pro Jahr rund 300 Fälle von Tierschutz-Verstössen, wie sie auf Anfrage mitteilt. Schweizweit sind es rund 1700 Fälle. Davon seien rund 70 «schwere Fälle» gemäss Artikel 26 Tierschutzgesetz, bei denen höhere Strafen (Freiheitsstrafen zwischen 1 und 3 Jahren) möglich seien.

Der Streit: Der beschuldigte Schweinezüchter liess diese Vorwürfe nicht auf sich sitzen und legte Berufung ein gegen den Strafbefehl. Deshalb kam der Fall am Freitag vor das Bezirksgericht Kulm. Im Prozess sparte der Beschuldigte dann nicht mit Kritik an die Adresse des Veterinärdienstes.

Die fast jährlichen Kontrollen in seinem Schweinestall seien «reine Schikane» gewesen. Zudem hätten die Kontrolleure «kaum Erfahrung» in Schweinezucht. Die gegen ihn gerichteten Vorwürfe entkräftete der Angeklagte vor Gericht oder zog sie zumindest in Zweifel.

Der Freispruch: Etwas überraschend hat die Einzelrichterin den Beschuldigten vollumfänglich freigesprochen. Die Ausführungen des Schweinezüchters seien «nachvollziehbar». Er erhält eine Entschädigung. In ihrem mündlichen Urteil kritiserte die Richterin indirekt auch den kantonalen Veterinärdienst.

Tierschutz-Kontrollen müssten sauber protokolliert werden, dies sei im vorliegenden Fall nicht passiert. Zudem hätten die Kontrolleure keine weiteren Abklärungen – zum Beispiel zum Gesundheitszustand der Tiere – unternommen und sich mit einem kurzen Augenschein im Stall begnügt. Damit sei «der Staat seiner Beweispflicht nicht nachgekommen», so die Richterin.

Die Reaktion des Veterinäramts: Auf Anfrage kann die zuständige Leiterin des Amts für Verbraucherschutz nicht zum konkreten Fall Stellung nehmen, denn sie kannte das Urteil am Freitagnachmittag noch gar nicht. Alda Breitenmoser erklärt auf Anfrage aber, man werde allenfalls notwendige Lehren aus dem Urteil ziehen. Ein generelles Problem sieht sie nicht: Im Normalfall würden Strafbefehle wegen Tierquälerei akzeptiert, Weiterzüge ans Gericht und vor allem Freisprüche seien selten.

Die Aargauer Tierschutzkontrolleure seien gemäss Bundesvorgaben ausgebildet. Alle seien ausgebildete Agronomen, Tierärzte oder Biologen. Häufigere Kontrollen gebe es nur bei Tierhaltern, die zuvor schon negativ aufgefallen seien.

Gerichtsreporter Maurice Velati zum Fall

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Der Prozess zum Schweinestall in Schlossrued und die Reaktionen darauf zeigen, dass es um drei verschiedene Ebenen geht. Auch beim Tierschutz spielt die menschliche Komponente eine wichtige Rolle. Der freigesprochene Tierhalter und die involvierten Kontrolleure liefern sich gemäss seinen Schilderungen vor Gericht seit Jahren einen «Kleinkrieg», geprägt von zum Teil persönlichen Motiven. Unter anderem geht es um die Tonalität in Gesprächen zwischen Kontrolleur und Bauer.

Die ideologische Ebene ist ebenfalls wichtig. Der Tierhalter sagte auf Anfrage, Tierschutz sei emotional aufgeladen. Er fühlt sich als Bauer einem ständigen Druck durch Öffentlichkeit und (Kontroll-)Behörden ausgesetzt. Tierschützer hingegen bemängeln, dass sogar die gültigen Vorschriften in der Massentierhaltung kaum auf natürliche Bedürfnisse der Tiere Rücksicht nehmen.

Schliesslich aber geht es vorliegend auch um eine rein administrative Ebene. Tierschutz muss professionell sein, das wird vom Schweinezüchter zu Recht gefordert. Genauso professionell müssen sich dann aber auch Kontrollinstanzen verhalten. Nur so bleiben sie und damit auch der Tierschutz auf Dauer glaubwürdig.

Regionaljournal Aargau Solothurn 12:03 Uhr;

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