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Über die einst heftigen Nebenwirkungen und den schlechten Ruf von Elektroschocks.
Aus Regionaljournal Bern Freiburg Wallis vom 30.10.2019. Bild: Michael Fund, PZM
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Psychiatriezentrum Münsingen Elektroschock: Geschichte einer umstrittenen Therapie

Die Muskeln verkrampften sich, Knochen brachen: Ein Buch beschreibt die Geschichte der Elektroschock-Therapie.

Einblick in eine teils verstörende Welt der Psychiatrie gibt das Buch «Therapeutischer Wille unter Strom». Der Berner Journalist Fredi Lerch hat die Geschichte der Elektroschock-Therapie am Psychiatriezentrum Münsingen (PMZ) aufgearbetet. 1939 wurde diese Therapie in der Schweiz erstmals angewendet.

Anstaltsmitarbeiter stehen um ein Bett mit einem Patienten.
Legende: Elektroschockbehandlung in den 1940er-Jahren – wahrscheinlich aufgenommen in der Heil- und Pflegeanstalt Waldau in Bern. Kunstmuseum Bern/Gottfried Keller-Stiftung/Fotografie: Paul Senn

In Münsingen wurden Menschen mit psychischen Erkrankungen wie beispielsweise Depressionen mit Stromstössen behandelt. Diese Therapie war umstritten – nicht zuletzt wegen ihrer Auswirkung auf die Patientinnen und Patienten. Nicht selten hatten die Stromstösse nämlich zur Folge, dass sich Patienten Knochen brachen.

Nach fünf Stunden im Archiv hatte ich genug
Autor: Fredi Lerch Journalist

Dies erfuhr der Journalist Fredi Lerch unter anderem bei seiner uneingeschränkten Recherche im Archiv des Psychiastriezentrums. «Die Geschichten gingen mir nahe», sagt Lerch. Er habe eigentlich acht Stunden im Archiv bleiben wollen, sei aber meist früher gegangen.

Auch für das medizinische Personal sei die Heftigkeit des Eingriffs damals Neuland gewesen: «Zuerst haben die Leute über Rückenschmerzen geklagt. Dann erst merkte man, dass Knochen brechen konnten», meint Lerch.

Beim Stromstoss verkrampfte sich die Muskulatur so fest, dass dabei Wirbel brechen konnten.
Autor: Fredi Lerch Berner Journalist

Ende der 80er-Jahre war vorübergehend Schluss mit Elektroschock-Therapien am Psychiatriezentrum in Münsingen. Journalist Lerch führt dies unter anderem darauf zurück, dass die Öffentlichkeit immer schlechter auf Elektroschock-Therapien zu sprechen war. Dazu habe auch der berühmte Film «Einer flog über das Kuckucksnest» beigetragen, sagt Lerch – wo Elektroschock mitunter als Disziplinierungsmassnahme eingesetzt wird. Der Ruf war angekratzt.

Elektroschocks werden wieder eingesetzt

Heute sei das ganz anders, sagt Claudia Jöstingmeier, Oberärztin am Psychiatriezentrum Münsingen. Nach einer Pause von rund 30 Jahren werden in Münsingen seit 2017 wieder Elektroschocks eingesetzt: «Heute können Verletzungen verhindert werden», sagt sie – zum Beispiel durch Anästhesie und entspannende Medikamente. Claudia Jöstingmeier: «Aus medizinischer Sicht gilt die Anwendung von Elektroschocks heute als gute Möglichkeit, Schübe von Depressionen und anderen psychischen Erkrankungen zu behandeln.»

Die brachialen Bilder von früher stimmen also nicht mehr. Es liegt darum auch im Interesse des Psychiatriezentrums, die Geschichte der Elektroschock-Thearpie am Standort Münsingen aufarbeiten zu lassen.

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