Ein Besuch im kleinen Ortsmuseum Birmenstorf im Keller des Schulhauses fördert eine spannende Geschichte zutage. Unter den rund 1200 Gegenständen aus der Dorfgeschichte – landwirtschaftliche Werkzeuge, Möbel, Textilien – findet sich auch ein alter Holzharass, in dem sich Glasflachen mit der Aufschrift «Birmo Bitterwasser» befinden.
Zum Glück weiss Historiker Patrick Zehnder, was es mit diesem dem Reporter unbekannten Birmo Bitterwasser auf sich hat: «Bitterwasser ist ein Wasser mit hohem Salzgehalt, das in Kurbetrieben verwendet wurde», erklärt der Hüter des Birmenstorfer Ortsmuseums. Ab 1842 wurde dieses Bitterwasser in Birmenstorf produziert und entwickelte sich für gute 100 Jahre zur wirtschaftlichen Erfolgsgeschichte.
Erfunden oder besser gesagt entdeckt worden sei das Bitterwasser von Bergarbeitern, erläutert Historiker und Kanti-Lehrer Patrick Zehnder. Diese hätten im Bergwerk Birmenstorf Steine als Baumaterial abgebaut. «Man sagt, dass die Arbeiter als sie Durst hatten den Bergschweiss abgeleckt hätten, also das Wasser, welches aus dem Berg herausdrückt», dabei sei ihnen sofort der spezielle Geschmack aufgefallen. Eine Untersuchung zeigte dann, dass man dieses Bitterwasser für Heilzwecke verwenden könnte.
Schon bald begann in der Folge die Birmo-Produktion im grösseren Stil. Die Arbeiter brachen weiterhin Steine aus dem Berg, verwendeten diese aber nicht mehr als Baumaterial, sondern legten sie in grosse Bassins mit Quellwasser. Nach einigen Tagen oder Wochen waren genug Mineralien aus den Steinen ins Wasser übergegangen und das Wasser wurde in Flaschen abgefüllt und verkauft.
Das Geschäft mit dem Bitterwasser, das gegen viele Wehwechen von Magenproblemen über Leber- und Gallenleiden bis zu Fett- und Gelbsucht helfen sollte, war schnell ein Erfolg. In der Blütezeit wurden pro Jahr rund 180'000 Flaschen abgefüllt, rund ein Drittel davon wurden nach Frankreich exportiert. Es war eine Zeit, in der chemische Medikamente noch kaum eine Rolle spielten, in der Kur-Aufenthalte gross in Mode kamen, begründet Historiker Patrick Zehnder den Erfolg des Produktes aus dem Bauerndorf Birmenstorf.
Mitte des 20. Jahrhunderts kommt die Erfolgsgeschichte aber ins Stocken. Die Medizin hatte sich weiterentwickelt, chemische Medikamente verdrängten die Bitterwasser-Therapie und auch aus hygiensicher Sicht war Wasser, in dem Steine aus einem Bergwerk eingelegt waren, nicht mehr zeitgemäss. 1972 wurde die Birmo-Produktion in Birmenstorf eingestellt. Zwar wurde das Bitterwasser noch weitere 12 Jahre in Eglisau chemisch hergestellt; Erfolg stellte sich aber nicht mehr ein. Die Zeit von Birmo sei wohl vorbeigewesen, resümiert Historiker Zehnder.
Über 40 Jahre später ist Birmo auch in Birmenstorf beinahe vergessen. Wenn, dann erinnern sich heute wohl nur noch ältere Leute an des Bitterwasser aus dem Bergwerk, denkt Historiker Patrick Zehnder. Bei der älteren Generation ist die Erinnerung dafür noch sehr präsent, das beweist Theres Vögtli-Zehnder, eine Ur-Birmenstorferin.
Auf dem Bauernhof ihrer Familie wurde Birmo damals verkauft, erzählt sie im Gespräch mit dem SRF-Reporter. So hätten die Leute, welche das Bitterwasser kaufen wollten, nicht jedes Mal bis zur Fabrik am Dorfrand gehen müssen. Sie hätten damals einen kleinen Zusatzverdienst gehabt dank des Verkaufs von Birmo, erinnert sich Theres Vögtli-Zehnder: «An einem Fläschchen haben wir damals wohl ca. 10 Rappen verdient.»
Auch sonst sei Birmo für Birmenstorf ein Gewinn gewesen. Kinder und Erwachsene hätten hier immer Arbeit gehabt und sich einen Zusatzverdienst sichern können, sei es mit dem Abfüllen des Wassers oder mit dem Schleppen von Steinen aus dem Bergwerk.
Das Bitterwasser Birmo aus Birmenstorf ist eine wirtschaftliche Erfolgsgeschichte aus der Mitte des 19. Jahrhunderts. Sie zeigt, dass Birmenstorf mehr ist als ein Gemüse- und Rebbaudorf.