RSI-Journalist Paolo Bertossa kommt selber aus dem Misox. Das Thema Briefkastenfirmen beobachtet er bereits seit Längerem: «Seit Jahren spricht man in der Region über diese Gesellschaften».
Niemand wisse so recht, wieso das Misox so beliebt für Firmengründungen sei, wieso die Leute in die Region kommen und dann zwar eine Firma, aber keine Angestellten haben.
Fantasie-Adressen als Domizil
Auffällig sei die grosse Zahl der Firmen. So gibt es im ganzen Misox auf 8300 Personen knapp 1600 Firmen. In Grono beispielsweise gäbe es bei 1000 Einwohnern 500 Unternehmen, macht pro zwei Einwohner eine Firma.
Firmen ohne Angestellte und nur mit einem Domizil sind zwar erlaubt, jede Firma benötigt jedoch eine gültige Adresse, damit die Verantwortlichen der Firma kontaktiert werden können. Paolo Bertossa begleitete deshalb zwei Gemeindepolizisten, die Firmenadressen in Roveredo kontrollierten.
Es sei spannend und kaum zu fassen gewesen, dass an manchen Orten keine Spur einer Firma zu finden war. Auch habe sich gezeigt, dass manche Firmen eine erfundene Adresse im Handelsregister eingetragen hatten, «zum Beispiel eine Strasse, die nicht existierte».
«Ein Problem für den ganzen Kanton»
Problematisch können solche Briefkastenfirmen aus mehreren Gründen sein, wie die RSI-Sendung «Falò» (siehe Kasten) aufzeigt:
- Das Misox könnte aufgrund der heutigen Regelungen attraktiv für die organisierte Kriminalität sein, vermutet der Journalist. Auch aufgrund der Erfahrungen im Tessin. Belege dafür gebe es aber keine.
- Bekannt sind Fälle von Firmengründern aus dem Ausland, die wegen des Unternehmens eine B-Bewilligung erhielten. Nach dem Konkurs ihrer Firma hatten sie Anrecht auf Arbeitslosengelder.
- Laut den Recherchen gehen überdurchschnittlich viele Firmen Konkurs Auch das verursacht Kosten für die Öffentlichkeit.
- Werden Firmengründungen genügend kontrolliert? Das Thema beschäftigt auch die Politik. Nächste Woche diskutiert der Grosse Rat einen Vorstoss dazu.
Die Dokumentation beleuchtet auch, welche anderen Gründe es geben könnte, dass das Misox attraktiv für Firmen macht, wie beispielsweise die unterschiedliche Gesetzgebung der beiden Kantone Tessin und Graubünden.
Das Fazit von RSI-Journalist Paolo Bertossa zu den vielen Briefkastenfirmen: «Das könnte zu einem Problem werden, nicht nur für das Misox, sondern für den ganzen Kanton».
Nun wird auch eine Peition zum Thema lanciert. Diese stammt vom früheren Tessiner Polizeikommissar Fausto Cattaneo. Er fordert darin eine Untersuchung und die Kontrolle aller Firmen im Misox.
*In einer früheren Fassung war die Rede von Kantonspolizisten, die der Journalist begleitet hatte. Es handelte sich jedoch um Gemeindepolizisten.