Die Durchsetzungsinitiative sorgt für eine Welle an Pro- und Contra-Artikeln in der Schweizer Medienlandschaft und füllt auch entsprechend die Kommentarspalten. Die letzte Aktion der Gegnerschaft ist das Manifest gegen die Durchsetzungsinitiative, welches von 273 amtierenden und ehemaligen Bundes-Parlamentariern unterzeichnet wurde.
Die grosse Zahl an prominenten Gegnern und auch die Intensität der Gegnerschaft werfen Fragen auf: Wie effektiv sind solche Aktionen und Aufrufe? Besteht die Gefahr, dass solche Mobilisierungskampagnen kontraproduktiv wirken? Sind es konzertierte Aktionen mit Kalkül? SRF News hat mit drei Politologen darüber gesprochen.
Es geht um einen Machtkampf
Für den Politologen Michael Hermann ist es fraglich, ob das Engagement der 273 Parlamentarier etwas nützt. Die eigene Seite müsse nicht mehr mobilisiert und überzeugt werden. «Denn schliesslich geht es hier um einen Machtkampf zwischen dem Parlament und dem Volk», erklärt der Politgeograf.
Tatsächlich gehe es hier auch um die Interessen des eidgenössischen Parlaments, welches die Vollzugsgesetzgebung bei der Durchsetzungsinitiative nicht mehr machen könnte, meint auch Politikwissenschaftler Adrian Vatter von der Uni Bern.
Ist das kontraproduktiv?
Wirksamer seien Testimonials, persönliche Zeugnisse von Dritten, ist Hermann der Meinung. Stellungnahmen von Personen, welche bei der Vorlage nicht Partei seien, wirkten bei der Meinungsbildung am effektivsten. Bei Aktionen oder Aufrufen von betroffenen Gruppen sei es eben nicht ganz auszuschliessen, dass sich dies kontraproduktiv auswirke.
Das Problem einer kontraproduktiven Wirkung sieht der Politologe Lukas Golder jedoch nicht. Die Wahrnehmung von Positionen sei für bestimmte Gruppen von Stimmberechtigten hilfreich. «Im Abstimmungskampf werden von Personen, die an der Abstimmung teilnehmen wollen, sehr viele Informationen verarbeitet und dies hat für die Orientierung grosse Bedeutung», sagt Golder. Wenn man also genau wisse, aus welcher Richtung eine Meinung komme, dann könne dies beim Entscheid helfen.
Gebrannt von ähnlichen Vorlagen
Aussergewöhnlich bleibe zudem die grosse Zahl von Personen, die sich öffentlich zu einem Abstimmungsthema äusserten, erklärt Michael Hermann.
Für Adrian Vatter ist das ein Zeichen, dass verschiedene Gruppierungen vom Ausgang der Masseneinwanderungsinitiative gebrannt seien und nun den Fehler nicht noch einmal begehen wollten. Am Schluss gehe es aber um die Mobilisierung, so Vatter: «Entscheidend wird sein, wie die bürgerlichen Parteien und ihre Anhänger zur Durchsetzungsinitiative stehen.»
Kalkül steckt nicht dahinter
Das am Sonntag veröffentlichte Manifest gegen die Durchsetzungsinitiative ist vorläufig das Ende einer Reihe von Gruppierungen – zuerst die Bundesrichter, dann die Rechts-Professoren und nun die Bundes-Parlamentarier – welche sich dezidiert gegen die Abstimmungsvorlage äussern. Sieht das nicht etwas nach einer orchestrierten Aktion aus?
Daran glauben die Experten nicht. «Das sind Kreise, die sich wirklich besorgt um das Gleichgewicht in unserer Demokratie zeigen», betont Adrian Vatter. Es sei ein übergeordnetes Unbehagen von Personen, die aus staatspolitischer und demokratischer Sicht das institutionelle Gleichgewicht der Gewalten in Gefahr sehen, wenn Parlamentarier und Richter mit dem Initiativtext kaltgestellt werden.
Zurückhaltend zeigt sich auch Lukas Golder. Ob eine Kampagne orchestriert sei, sehe man vor allem, wenn viel Geld investiert werde. «Dann sieht man überall Plakate», meint Golder. Wenn aber wie hier verschiedene Akteure die Führung bei der Meinungsbildung übernähmen, dann sei die Koordination schwierig und eben nicht alles perfekt zeitlich orchestriert und somit stecke auch weniger Kalkül dahinter.
Von der Krux mit den Februar-Abstimmungen
Der spezielle Abstimmungstermin Anfang Jahr scheint auch einen Nebeneffekt bei den Vorlagen zu haben. Es sei sehr oft so, dass bei den Februar-Abstimmungen der Abstimmungskampf sehr intensiv sei, erklärt Adrian Vatter. Vor Weihnachten könne man mit der Mobilisierung nicht beginnen, weil die Stimmberechtigten mit anderen Sachen beschäftigt seien. «Somit bleiben nur sechs bis acht Wochen für den Abstimmungskampf», sagt Vatter. Und damit sei gegeben, dass der Kampf um die Stimme des Volkes kurz, aber intensiv stattfinde. |