Zum Inhalt springen

Header

Inhalt

«No Billag» im Umfragetief «Nein-Trend ist schwer zu brechen»

Sorge um die Medienvielfalt und den Service public: gfs-Forscher Lukas Golder erklärt das klare Verdikt der SRG-Umfrage.

Schon Monate vor der Abstimmung über die «No Billag»-Initiative zog ein Sturm auf: «Es entwickelte sich eine aussergewöhnlich intensiv geführte Debatte in den Redaktionen, aber auch über Twitter», sagt Lukas Golder von gfs.bern.

Bei der aufgeheizten Diskussion schimmerten durchaus Sympathien für «No Billag» durch. Das damals wie heute zugkräftigste Argument der Initianten: Die SRG sei zu gross geworden und müsse sparen.

Lukas Golder

Box aufklappenBox zuklappen

Der Politologe und Medienwissenschaftler ist Co-Leiter des Meinungsforschungsinstituts gfs.bern und Mitautor der Befragungsstudie, die im Auftrag der SRG durchgeführt wurde. Seine Schwerpunkte sind Medienanalysen, Abstimmungen und Wahlen sowie Image- und Reputationsanalysen.

Die Ruhe nach dem Sturm

Allerdings: Nach dem «Herbststurm» regte sich aussergewöhnlicher Widerstand gegen die «Initiative zur Abschaffung der Radio- und TV-Gebühren». Angeführt nicht etwa von Medien und Politik, sondern von der Zivilgesellschaft: Ihre Kritik an «No Billag» erhielt laut gfs.bern deutlich am meisten Resonanz bei den Stimmberechtigten.

Bei Initiativen ist es oft so, dass man sich mehr und mehr über die Schwächen der Vorlage informiert. Wenn dieser Trend einmal eingesetzt hat, ist er schwer zu brechen.»
Autor: Lukas GolderPolitikwissenschaftler

Mit ihren Warnrufen vor einem Kahlschlag in der Medienlandschaft und einem Aderlass für den medialen Service public drangen Akteure aus Kultur, Gesellschaft und Sport bis weit ins bürgerliche Lager vor.

Zudem habe die SRG dem gefährlichsten Argument der Initianten, nämlich, dass sie zu mächtig geworden sei und sparen müsse, «etwas die Zähne gezogen»: «Die SRG hat in Aussicht gestellt zu sparen», sagt Golder.

Der Politologe führt aus, dass die Grundstimmung gegenüber der Vorlage bereits im Januar mehrheitlich negativ und kritischer geworden sei. «Die Initiative geht recht weit und ist risikobehaftet. Man neigte mehr und mehr der Nein-Seite zu und hörte verstärkt auf ihre Argumente.»

Zudem sei bei es Initiativen oft so, dass man sich mehr und mehr über die Schwächen der Vorlage informiert: «Wenn dieser Trend einmal eingesetzt hat, ist er schwer zu brechen.»

Video
Golder: «Ein Nein-Trend ist schwer zu brechen»
Aus News-Clip vom 21.02.2018.
abspielen. Laufzeit 26 Sekunden.

Dieses Phänomen hat offensichtlich auch die «Generation Netflix» erfasst: Sie ist vom hauchdünnen Ja ins Nein gekippt. Golder begründet dies damit, dass sich die junge Generation oft erst spät über Abstimmungsvorlagen informiert: «Die Jungen haben sich dem schweizweit spürbaren Grundtenor für einen starken Service-public-Auftrag der SRG angeschlossen.»

Video
Golder: «Keine Anzeichen für Protestmomentum»
Aus News-Clip vom 20.02.2018.
abspielen. Laufzeit 18 Sekunden.

SVP-Wählerschaft zunehmend gespalten

Die Skepsis gegenüber «No Billag» hat auch einen Teil der SVP-Wählerschaft erfasst. Bei ihnen wollen nur noch 56 statt wie im Januar 66 Prozent die Initiative annehmen – obwohl die SVP am 27. Januar die Ja-Parole fasste.

Golder interpretiert das «zunächst überraschende Ergebnis» wie folgt: «In konservativen Kreisen auf dem Land gibt es relevante Kräfte ausserhalb der SVP, die plötzlich für eine Nein-Stimmung sorgen.» Diese Akteure erreichten auch einen Teil der SVP-Anhängerschaft.

Video
Golder: «Es gibt erhebliche Kräfte gegen die Initiative in der SVP»
Aus News-Clip vom 21.02.2018.
abspielen. Laufzeit 31 Sekunden.

Der «Agglomerationsgraben»

Tatsächlich lässt sich für einmal kein Stadt-Land-Graben feststellen. Auf dem Land wollen 65 Prozent der Stimmberechtigten ein Nein in die Urne legen, in den Städten 72 Prozent. Eine solche Konstellation ist laut gfs.bern bei Initiativen ungewöhnlich.

Golders Erklärung: Auf dem Land seien die Menschen in der örtlichen Identität verwurzelt, und um diese zu pflegen, könnten durchaus auch die SRG-Medien genutzt werden. In den Städten wiederum wünschten sich viele Menschen eine vielfältige Medienlandschaft.

Video
Golder: «In den Agglomerationen hat die Initiative Schwung»
Aus News-Clip vom 21.02.2018.
abspielen. Laufzeit 41 Sekunden.

Aber: «Genau dazwischen – in den kleinen und mittleren Agglomerationen – hat die Initiative noch recht Schwung», sagt Golder. Dort seien besagte Identitäten womöglich weniger stark ausgeprägt und die Leute könnten sich eher vorstellen, künftig keine Gebühren mehr für einen öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu zahlen. Mehrheitsfähig ist «No Billag» aber auch in den Agglomerationen nicht.

Unbehagen in der Sonnenstube?

Box aufklappenBox zuklappen

In der Deutschschweiz hat das Nein-Lager in den letzten Wochen noch einmal zulegen können. In der Romandie bleibt die Ablehnung der Vorlage stabil. Einen deutlichen Meinungsumschwung habe es aber im Tessin gegeben, so Golder: «Es gibt Anzeichen für ein Protestvotum. Das Sparargument nimmt Schwung auf. Man wünscht sich eine weniger mächtige SRG.» Ein Faktor dafür könne die Ja-Parole der im Tessin politisch wie medial mächtigen Lega sein. Aber: Methodisch sei im Südkanton wegen der kleineren Zahl Befragten eine «gewisse Unschärfe» da: «Die Situation ist volatil. Es kann in beide Richtungen gehen.»

Initianten auf verlorenem Posten?

Dafür, dass es ein «Protestmomentum» Richtung Ja geben könnte, sieht Golder derzeit keine Anzeichen. Denn die einst hitzig geführte Debatte hat sich merklich abgekühlt, «die Luft ist etwas draussen», sagt Golder.

Hat die Initiative damit überhaupt noch Chancen? Ohne «Wendeereignis, ohne irgendeine Sensation» rechnet der Politologe derzeit mit einem klaren Nein im Stimmenverhältnis von mindestens 2:1.

Demobilisierungstendenz

Box aufklappenBox zuklappen

Das Institut gfs.bern erwartet nur noch eine «leicht überdurchschnittliche Stimmbeteiligung» am 4. März. Bestimmt an die Urne gehen wollen 49 Prozent, im Januar waren es noch 53 Prozent gewesen. Zum Vergleich: Die ebenfalls äusserst emotional geführte Debatte um die Durchsetzungs-Initiative führte 2016 zur höchsten Stimmbeteiligung (63,7 Prozent) seit der EWR-Abstimmung von 1992 (78,7 Prozent).

Audio
Zweite Umfrage zu No Billag: «Staatskritiker werden weniger»
aus HeuteMorgen vom 21.02.2018. Bild: Keystone
abspielen. Laufzeit 12 Minuten 17 Sekunden.

Die SRG-Umfrage

Box aufklappenBox zuklappen

Die Umfrage wurde im Auftrag der SRG SSR vom Forschungsinstitut gfs.bern zwischen dem 15. und dem 23. Mai durchgeführt. Befragt wurden 1411 Personen. Der Fehlerbereich beträgt ± 2,7 Prozentpunkte. mehr

Jederzeit top informiert!
Erhalten Sie alle News-Highlights direkt per Browser-Push und bleiben Sie immer auf dem Laufenden.
Schliessen

Jederzeit top informiert!

Erhalten Sie alle News-Highlights direkt per Browser-Push und bleiben Sie immer auf dem Laufenden. Mehr

Push-Benachrichtigungen sind kurze Hinweise auf Ihrem Bildschirm mit den wichtigsten Nachrichten - unabhängig davon, ob srf.ch gerade geöffnet ist oder nicht. Klicken Sie auf einen der Hinweise, so gelangen Sie zum entsprechenden Artikel. Sie können diese Mitteilungen jederzeit wieder deaktivieren. Weniger

Sie haben diesen Hinweis zur Aktivierung von Browser-Push-Mitteilungen bereits mehrfach ausgeblendet. Wollen Sie diesen Hinweis permanent ausblenden oder in einigen Wochen nochmals daran erinnert werden?

Meistgelesene Artikel