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Selbstbestimmungs-Initiative Zwei Gegner im Kampf für die Demokratie

Beide setzen sie sich für die Demokratie ein – und doch sind sie Gegner: Andrea Huber und Hans-Ueli Vogt.

«Meine Mutter ist in Nazi-Deutschland aufgewachsen. Ich war mir deshalb immer des Privilegs bewusst, in der Schweiz in einer Demokratie zu leben, in der die Menschenrechte geschützt sind», sagt Andrea Huber. Und: «Die sogenannte Selbstbestimmungsinitiative ist ein gefährliches Täuschungsmanöver. Unter dem Deckmantel von Selbstbestimmung werden unsere Menschenrechte beschnitten».

Die Initiative ist zu radikal, zu falsch und gefährlich.
Autor: Andrea Huber Menschenrechtsaktivistin

Andrea Huber hat eine Mission: Die Selbstbestimmungsinitiative der SVP zu bodigen. Zu radikal sei die Initiative, zu falsch und gefährlich. Es gehe um die Grundwerte, die Menschenrechte – um das Fundament der Schweiz.

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«Unter dem Deckmantel von Selbstbestimmung werden unsere Menschenrechte beschnitten»
Aus News-Clip vom 24.10.2018.
abspielen. Laufzeit 16 Sekunden.

Andrea Huber, 50-jährig und Kopf einer Allianz von über 120 Organisationen, die sich gegen die SVP-Initiative wenden, redet sich in Rage. Seit die SVP 2013 die Initiative ankündigte, kämpft sie dagegen. Ihr Argument: Die Gefährdung der Menschenrechte in der Schweiz. Aber stimmt das?

«Kündigung in der Stossrichtung der Initiative»

Der Aspekt der Menschenrechte dominiert den Abstimmungskampf um diese Initiative, die die Schweizer Bundesverfassung teilweise über völkerrechtliche Verträge stellen will. Und wer wie Andrea Huber und viele Gegner der Initiative mit den Menschenrechten argumentiert, hat schon mal ein starkes Argument in der Hand. Die SVP selbst spricht heute lieber weniger davon.

Wir wollen, dass das letzte Wort in diesem Land die Bürgerinnen und Bürger haben.
Autor: Hans-Ueli Vogt Nationalrat SVP/ZH, Autor der Initiative

Tatsächlich aber sagte Hans-Ueli Vogt, Autor der Initiative und SVP-Nationalrat, 2014 gegenüber der NZZ: «Die Kündigung der EMRK liegt in der Stossrichtung der Initiative.» Die Schweiz anerkannte 1974 die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) und verpflichtete sich damit, die Urteile des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte zu akzeptieren und umzusetzen. Dieser Automatismus stört Vogt.

Seither können Schweizer in Strassburg ihre Grundrechte einklagen – was bisher rund 7000 Mal geschah. Für die Schweiz sind zudem auch die Urteile gegen andere Länder bindend. Der Gerichtshof legt die Menschenrechte kontinuierlich für alle Mitgliedstaaten aus.

Sonderfall Schweiz

Nur entwickelt sich in der Schweiz auch die Verfassung fortlaufend – anders als in anderen Ländern, deren Verfassungen starr sind. Oft wacht zudem ein landeseigenes Gericht über deren Einhaltung. Die Schweiz hingegen kennt die demokratische Mitbestimmung auch auf Verfassungsstufe: Mit Volksabstimmungen können die Stimmbürger die Verfassung immer wieder ändern.

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«Grundrechte können eingeschränkt werden – selbst gemäss der EMRK»
Aus News-Clip vom 24.10.2018.
abspielen. Laufzeit 37 Sekunden.

Deshalb hat Andrea Huber Angst: «Eine Mehrheit der Stimmberechtigten kann jederzeit auch Grundrechte schwächen und Minderheiten angreifen.» So wie es mit der Ausschaffungs-, der Minarettverbots-, der Pädophilen- und der Verwahrungsinitiative geschehen sei: Alle diese an der Urne angenommenen Volksanliegen tangierten Grundrechte und stünden teilweise im Widerspruch zur EMRK.

Grundrechte können eingeschränkt werden. Nach unserer Verfassung ist das erlaubt.
Autor: Hans-Ueli Vogt Nationalrat SVP/ZH, Autor der Initiative

Genau deshalb hat Hans-Ueli Vogt die Selbstbestimmungs-Initiative lanciert: 2012 wies das Bundesgericht einen kriminell gewordenen Ausländer nicht aus und berief sich dabei auf die EMRK. Nach Vogts Auslegung hat das Bundesgericht damit die völkerrechtlichen Verträge über die Bundesverfassung gestellt, statt die Ausschaffungsinitiative umzusetzen – diese Ansicht ist allerdings umstritten.

Vertrauen in die Stimmbürger

Der SVP-Nationalrat sieht die Schweizer Selbstbestimmung und vor allem die direkte Demokratie in Gefahr, wenn Volksentscheide wegen internationaler Abmachungen nicht umgesetzt werden. «Wir wollen, dass das letzte Wort in diesem Land die Bürgerinnen und Bürger haben. Sie müssen mit den Regeln, die sie sich geben, leben. Sie sind die, die alle zusammen am besten wissen, was für uns, für die Zukunft dieses Landes gut ist. Das nennen wir Selbstbestimmung.»

Hans-Ueli Vogt glaubt nicht, dass die Stimmbürger an der Urne Grundrechte aushebeln, aber: «Grundrechte können eingeschränkt werden. Nach unserer Verfassung ist das erlaubt, selbst gemäss der EMRK. Aber wo verlaufen die Grenzen? Bei der Niederlassungsfreiheit? Beim Familiennachzug? Bei der Religionsfreiheit? Diese Abwägungen müssen wir selber vornehmen können: Durch unser Parlament und durch den Stimmbürger.» Mit seiner Initiative will Vogt die Mitsprache der Bürger stärken. «Ich kämpfe für die Demokratie.»

In irgendeiner Konstellation gehört fast jeder von uns einmal zu einer Minderheit.
Autor: Andrea Huber Menschenrechtsaktivistin

So viel Vertrauen in die Mehrheit der Stimmbürger hat Andrea Huber nicht. Die SVP-Selbstbestimmungs-Initiative gefährde den Schutz von Minderheiten, und der sei in einer Demokratie fundamental. «Und in irgendeiner Konstellation gehört fast jeder von uns einmal zu einer Minderheit.»

Würde die Schweiz Urteile des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte nicht mehr automatisch umsetzen, weil sie unserer nationalen Gesetzgebung widersprächen, dann käme es auch zum Ausstieg aus der EMRK, sagt sie. Deshalb kämpfe sie gegen diese Initiative. Wie Vogt sagt auch sie: «Ich sehe es als meine Pflicht als Bürgerin an, jetzt aufzustehen und für unsere Demokratie zu kämpfen.»

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