- Ein unabhängiger Untersuchungsbericht zeigt: In der Walliser Abtei Saint-Maurice ereigneten sich über Jahrzehnte hinweg Missbrauchsfälle.
- Es kam etwa zu sexualisierten Berührungen durch Chorherren, «ambivalenten» Fotosessions, Exhibitionismus. Ebenso wurde Kinderporno-Material konsumiert.
- Der Bericht hält weiter fest: Erst auf Druck von Medien und Öffentlichkeit wurde die Untersuchung eingeleitet.
Ein Missbrauchsskandal hat 2023 die Abtei Saint-Maurice erschüttert, die im Wallis eine Institution ist. Damals berichtete RTS, neun Priester seien in Fälle von sexuellem Missbrauch verwickelt gewesen – begangen innerhalb der letzten Jahrzehnte an Kindern und Jugendlichen.
Diese Vorwürfe lösten mehrere Untersuchungen aus. Eine Arbeitsgruppe unter der Leitung der Universität Freiburg befragte im vergangenen Jahr 50 Zeuginnen und Zeugen sowie 24 Geistliche.
Missbrauch in verschiedensten Facetten
Heute präsentierten die Verantwortlichen an einer Medienkonferenz die Ergebnisse. Die untersuchten Sachverhalte zwischen 1960 und 2024 zeigen, dass es im Kloster zu Missbrauch in verschiedensten Facetten kam. Aus dem Bericht geht hervor, dass Chorherren und weitere Personen «mit Bezug zur Abtei» folgende Vergehen begingen:
- Gesten und Worte mit sexuellem Bezug in einem Autoritätsverhältnis
- Wiederholte sexualisierte Berührungen
- Exhibitionistische Handlungen
- Ambivalente Fotosessions
- Konsum von Kinderpornografie
Seit 1970 wurden fünf Strafverfügungen gegen drei Chorherren und einen Novizen erlassen. Viele Prozesse wurden mangels hinreichender Anklagepunkte oder wegen Verjährung eingestellt. «Wie immer in einem solchen Kontext» sei von einer Dunkelziffer auszugehen, hielt der Bericht weiter fest. Wie viele Opfer bis heute schweigen, ist demnach unbekannt.
«Laschheit» trotz Beschwerden wegen Übergriffen
Weshalb blieben die Missbrauchsfälle so lange unentdeckt? Im Bericht heisst es, dass Gewalt im Internat banalisiert wurde. Auch das Prestige der Abtei habe dazu geführt, dass Anschuldigungen nicht berücksichtigt worden seien. «Man liess Mitglieder der Gemeinschaft mit ambivalentem oder widerrechtlichem Verhalten ohne besondere Vorsichtsmassnahmen im Amt», heisst es weiter.
Es sei eine «gewisse Laschheit» bei der Überwachung von zwei externen Geistlichen festgestellt worden, die mehrere Jahre in der Abtei verweilten oder noch dort verweilen – obwohl ihr Verhalten zu «Beschwerden oder Disziplinarmassnahmen zu sexueller Gewalt» an ihrem vorherigen Aufenthaltsort geführt hatte.
Es kam bereits zu Abgängen im Kloster: Gilles Roduit, einer der früheren Priester, trat im September 2024 von seinem Amt zurück. Dies wegen «zahlreicher Ablehnungen seiner Anwesenheit», wie der Kirchgemeinderat von Saint-Maurice und Lavey in einem Schreiben mitteilte.
Im Herbst 2023 war Gilles Roduit beschuldigt worden, in den 2000er-Jahren einen Novizen missbraucht zu haben. Daraufhin wurde er von seinem Amt als Pfarrer sowie als Dekan von Monthey suspendiert. Gilles Roduit beteuerte stets seine Unschuld.