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«Am Volk vorbei» Widerstand gegen eine private E-ID

  • Gemäss einer repräsentativen Umfrage möchten 87 Prozent der Stimmberechtigten, dass der Staat für die Ausgabe der elektronischen Identifizierung (E-ID) zuständig ist.
  • Nur gerade zwei Prozent unterstützen dagegen die Lösung, dass private Unternehmen die elektronischen Ausweise herausgeben.
  • Der Nationalrat hat aber im März beschlossen, dass der Bund nur die Identität einer Person prüfen und bestätigen soll. Die E-ID herausgeben sollen private Anbieter, sogenannten Identity Provider (IdP).

Dieses Konzept hatte der Bundesrat ausgearbeitet. Er verweist auf den raschen technologischen Wandel und die Vielfalt möglicher technischer Lösungen. Laut Regierung ist der Bund nicht in der Lage, die Träger der Identitätsangaben selbst zu entwickeln und herzustellen.

«Hoheitliche Aufgabe»

«Der Identitätsnachweis ist eine hoheitliche Aufgabe, der Staat kann diese nicht outsourcen», sagte Sara Stalder, Geschäftsleiterin der Stiftung für Konsumentenschutz (SKS), in Bern. Die grossen Konsumentenschutzorganisationen haben sich mit der Digitalen Gesellschaft, dem Verein PublicBeta und der Plattform WeCollect zu einer Allianz zusammengeschlossen.

Über die Umfrage

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Die repräsentative Umfrage ist vom Marktforschungsinstitut Demoscope durchgeführt worden. In der ersten Mai-Hälfte wurden 973 Stimmberechtigte befragt. Der Fehlerbereich liegt bei +/- 5 Prozent. Auftraggeber ist der Verein PublicBeta.

Sie verlangen, dass der Ständerat die Vorlage in der Sommersession an den Bundesrat zurückweist. Der Gesetzgeber müsse akzeptieren, dass die Bürger ihre Ausweise nicht bei der Swisscom oder am Bankschalter beziehen wollten, sagte Stalder.

Unternehmen preschen vor

Mit der Lösung des Nationalrats zeichnet sich jedoch genau das ab. Rund um die SwissID von Post und SBB hat sich ein Konsortium gebildet, dem inzwischen 20 grosse Unternehmen angehören. Dazu gehören Swisscom, CS, UBS, ZKB und Raiffeisen sowie die Versicherungen Axa, Baloise, CSS, Helvetia, Mobiliar, Swica, Swiss Life, Vaudoise und Zürich.

Die Gegner der privatwirtschaftlichen E-ID befürchten, dass die Unternehmen die anfallenden Daten über Lebensgewohnheiten, Einkäufe und Gesundheit kommerzialisieren könnten. Es sei illusorisch zu glauben, dass sich die Datenverarbeitung kontrollieren lasse, sagte Stalder. Daran glaubt offenbar auch die Bevölkerung nicht: 75 Prozent der Befragten vertrauen beim Datenschutz dem Staat mehr als privaten Unternehmen.

Keine blosse «Shopping-Card»

Die Umfrage gibt auch Hinweise darauf, wofür der elektronische Ausweis eingesetzt werden soll. Als wichtigste Anwendungsgebiete werden in der Umfrage E-Government und die Ausübung der politischen Rechte genannt, gefolgt vom elektronischen Patientendossier und Online-Banking. Nur die Hälfte der Befragten nennt auch Einkäufe im Internet als mögliche Nutzung.

Bisher sei es immer um eine «Shopping-Card» gegangen, sagte Daniel Graf von der Digitalen Gesellschaft. Die Debatte über die Anwendungsmöglichkeiten sei aber gar nie geführt worden.

Über 80 Prozent der Befragten möchten die E-ID zudem dafür nutzen können, rechtsverbindlich unterschreiben zu können. Diese Möglichkeit ist im aktuellen Gesetzesentwurf nicht vorgesehen.

Referendum steht im Raum

Der Bedarf nach einer E-ID ist für die Gegner einer privaten Lösung unbestritten. Der Konsumentenalltag sei längst digital, sagte Stalder. Darum brauche es dringlich eine Schweizer Regelung. Es bestehe die Gefahr, dass sonst die internationalen Tech-Giganten ihre Lösungen durchsetzten.

Weil eine Abstimmung zu Verzögerungen führen würde, halten sich die Gegner mit Referendumsdrohungen zurück. Sie lassen die Frage offen, ob sie Unterschriften sammeln würden, falls der Ständerat der Lösung des Nationalrats zustimmt.

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