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Ambulant statt stationär – Schnell operiert, rasch wieder daheim
Aus Puls vom 08.04.2019.
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Ambulant statt stationär Vom OP-Tisch gleich wieder nach Hause

Immer mehr Kantone und Behörden schreiben Spitälern ambulante Eingriffe vor. Die fehlende Infrasturktur bringt nicht nur die Ärzteschaft unter Druck, sondern auch die Patienten.

Guido Speck ist Spitaldirektor der Berner Lindenhofgruppe. Kürzlich war er auch Patient im eigenen Spital. Und was er dabei erlebte, gab ihm zu denken. «Ich kam für einen ambulanten Eingriff in ein stationäres Setting», erinnert er sich. «Es war für mich anstrengend, ich hatte mich eigentlich fit gefühlt und durfte aber nur wenig selber machen.»

Frei bewegen ging nicht, stattdessen musste er sich führen lassen. «Das ist im ambulanten Bereich ganz anders, dort wird auf die Selbstständigkeit des Patienten gesetzt.»

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Für einen ambulanten Eingriff in ein stationäres Setting geraten: Spitaldirektor Guido Speck erlebte die Unterschiede am eigenen Leib.
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Die Lindenhofgruppe ist mit ihren drei Spitäler und 424 Betten sehr stationär geprägt. Das bedeutet 24-Stunden-Betreuung, viel Personal und eine aufwändige Infrastruktur.

Genau das Gegenteil von dem, was es in der ambulanten Chirurgie braucht.

Der Patient im Mittelpunkt

Worauf es beim Betrieb einer solchen Tagesklinik ankommt, weiss Michael Stamm. Das von ihm aufgebaute Operationszentrum in Burgdorf ist ausschliesslich auf ambulante Eingriffe ausgerichtet.

Sein Credo: «Es ist entscheidend, dass man prozessorientiert arbeitet. Was mit dem Patienten passiert, ist absolut im Mittelpunkt.» Das führe zu einer spürbar besseren Qualität und spare erst noch Kosten.

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Michael Stamm: «Der Patient steht absolut im Mittelpunkt. Das sorgt für bessere Qualität und tiefere Personalkosten.»
Aus Puls vom 08.04.2019.
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Gefragt sind aber auch selbstständige Patienten, die einen Teil dieser Betreuungsaufgaben selber übernehmen können. Damit lässt sich nämlich Geld sparen. Unter diesem Motto hat der Kanton Luzern 2017 einen Trend eingeläutet, der sich seither schweizweit immer mehr durchsetzt.

16 chirurgische Eingriffe sind es mittlerweile, die in der Zentralschweiz nur noch ambulant gemacht werden.

Viele andere Kantone sind dem Beispiel gefolgt und haben chirurgische Eingriffe wie Mandel-Entfernungen, Gebärmutter-OPs, Knie-Arthroskopien oder Leistenbruch-OPs zu ambulanten Behandlungen erklärt.

Schweizweit sechs Eingriffe definiert

Auch der auch der Bund hat das Sparpotenzial erkannt und entschieden, dass ab 1. Januar 2019 sechs Gruppen von Eingriffen nur noch vergütet werden, wenn sie ambulant vorgenommen werden. Dazu gehören:

  • Einseitige Krampfaderoperationen der Beine
  • Eingriffe an Hämorrhoiden
  • Einseitige Leistenhernienoperationen
  • Untersuchungen/Eingriffe am Gebärmutterhals oder an der Gebärmutter
  • Kniearthroskopien inklusive arthroskopische Eingriffe am Meniskus
  • Eingriffe an Tonsillen und Adenoiden

Der Wandel stellt die Spitäler vor enorme Herausforderungen, denn sie müssen umstrukturieren. Nicht in allen Kantone sind sie gleich gut vorbereitet.

Der Anteil der ambulanten Eingriffe der vorgeschriebenen Bundesliste variiert von Kanton zu Kanton stark. So gibt es Kantone wie Jura, Obwalden oder Genf, die in den Jahren 2013 bis 2016 rund 80 Prozent der Eingriffe bereits ambulant durchgeführt haben. Andere Kantone wie etwa Bern kommen nur gerade auf gut 44 Prozent.

Balkendiagramm
Legende: srf

Ambulatorium geplant

Die Lindenhofgruppe in der Stadt Bern ist ein typisches Beispiel dafür. Sie muss seit Anfang Jahr gut 1000 Eingriffe neu ambulant durchführen, obwohl die geeignete Infrastruktur dafür fehlt.

Der Direktor Guido Speck plant nun in einem Teil seines Spitals eine neue Tagesklinik. Eine besondere Herausforderung dabei: Für ambulante Operationen gibt es deutlich weniger Geld als für stationäre Operationen, obwohl es sich um den gleichen Eingriff handelt.

Trotzdem muss er jetzt im ambulanten Bereich ausbauen. «Als Spital hatte man nicht primär einen Anreiz etwas zu machen, das defizitär ist. Das ist wegen der tarifarischen Situation», sagt Speck. «Technisch hätte man sicher früher vorwärts machen können».

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Guido Speck setzt auf einen behutsamen Übergang. «Im Zweifelsfall werden die Patienten stationär bleiben.»
Aus Puls vom 08.04.2019.
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Die Spitalgruppe muss nun aufholen. Um möglichst schnell in einem idealen Umfeld ambulante Eingriffe durchführen zu können, hat sich Speck an einem privaten Ambulatorium in der Berner Innenstadt beteiligt. Mitte März wurde es eröffnet. Die Kapazität reicht aber nicht aus für alle geforderten ambulanten Operationen. Sie starten nun mit den orthopädischen Disziplinen. Der Rest bleibt vorerst noch in der bestehenden Spitalinfrastruktur.

Es wird wohl nur noch eine Frage der Zeit sein, bis noch mehr Eingriffe schweizweit ambulant durchgeführt werden müssen und die Spitäler und Patienten so noch mehr unter Druck kommen.

So wird die ambulante Chirurgie nicht zum Horror für Patienten

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Die Zeit nach der Operation ist entscheidend. Patienten müssen gut auf die Zeit zuhause vorbereitet werden. Sie müssen bereits vor dem Austritt aus der Klinik allfällige Szenarien kennen und auch wissen, wie darauf zu reagieren ist.

Patienten benötigen zudem genügend und auch stärkere Schmerzmittel. So können Sie bei starken Schmerzen selber dosieren.

Von Vorteil ist auch eine direkte Ansprechperson mit einer Handynummer, damit bei Nachblutungen, Schmerzen oder anderen Komplikationen Ratschläge eingeholt werden können. Im Idealfall ist es die Chirurgin oder der Chirurg selber und jemand, der die Narkose durchgeführt hat.

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«Die Grenzen der ambulanten Operationen sind in der Schweiz noch lange nicht erreicht.» Studiogespräch mit Daniela Centazzo, Geschäftsleiterin Operationszentrum Zumikon.
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