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«Arena» zum EU-Rahmenabkommen In der EU-Debatte erwacht jetzt die Wirtschaft

Was würde ein Rahmenabkommen mit der EU der Schweiz bringen – und was würde es uns kosten.

Mit dem personellen Wechsel im Aussendepartement mit Bundesrat Ignazio Cassis kam mit seinem «Reset»-Knopf für die Beziehung mit der Europäischen Union ein neuer Begriff in die Schweizer Europa-Politik. Die Erwartung war: «Alles wird anders». Aber von einem Durchbruch oder einem Abschluss eines Rahmenabkommens mit der EU kann noch keine Rede sein.

Ein Schiedsgericht soll es lösen

Der Vorschlag des Bundesrats für ein Streitschlichtungsverfahren ist die Einführung eines Schiedsgericht. Die Frage stellt sich aber, wie viel EU-Gerichtshof steckt in einem solchen Schiedsgericht drin? Und wie viel Spielraum hat die Schweiz in Streitfällen wirklich?

Zumindest gewisse psychologisch heikle Punkte in der bisherigen Diskussion konnten mit dem Vorschlag eines Schiedsgericht entschärft werden. Diese Ansicht vertritt Europarechtlerin Christa Tobler am Expertentisch. So etwa die Frage, wer bei einem Streitfall entscheidet: «Wenn wir heute über ein Schiedsgericht sprechen, bei dem auch die Schweiz dabei ist, dann haben wir ein Gericht, das eben auch ein schweizerisches Gericht ist und haben so ein Problem entschärft. Es ist ein grosser Schritt vorwärts – es ist nicht mehr gleich wie vorher».

In der «Arena» diskutieren:

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Am Expertentisch:

Für Lukas Reimann ist das Schiedsgericht «ein Marketing-Trick, um das Schweizer Volk hinters Licht zu führen, damit es eher Ja dazu sagt.» Es sei nicht klar, bei welchem Recht der Europäische Gerichtshof [EuGH] entscheidet, wann ein Schweizer Gericht und wo ein Schiedsgericht zur Anwendung komme. Zudem sei unklar, wer diese dritte Person im Schiedsgericht sein soll.

Schiedsgerichte kenne man in vielen anderen Organisationen auch, etwa in der Welthandelsorganisation (WTO), sagt Heinz Karrer . Aber heute könne die EU bei einem Streit einseitig Massnahmen ergreifen. «Inskünftig hat man dann ein Schiedsgericht, das beurteilen kann, ob eine solche Massnahme verhältnismässig ist.»

Martin Landolt glaubt nicht, dass man am EU-Gerichtshof vorbeikommt, auch wenn der Bundesrat versucht, das auszuhandeln. Auch für ihn ist ein Schiedsgericht ein Marketing-Gag, «weil es kaum einen Fall gibt, wo gemeinsames Recht betroffen ist. Das gibt es eigentlich gar nicht.»

Bilateralen I (21. Juni 1999)

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Diese sieben Abkommen ermöglichen der Schweizer Wirtschaft einen weitgehenden Zugagn zum EU-Binnenmarkt:

  • Personenfreizügigkeit
  • Technische Handelshemmnisse
  • Öffentliches Beschaffungswesen
  • Landwirtschaft
  • Landverkehr
  • Luftverkehr
  • Forschung

Wieviel Schweizer Recht steckt im EU-Rahmenabkommen?

Bei einem Streit um die bilateralen Verträge stellt sich der Bundesrat vor: Bei Schweizer Recht ein Schweizer Gericht, bei EU-Recht ein EU-Gericht und für gemeinsames Recht ein Schiedsgericht. Nur stellt sich die Frage, was für eine Rechtsprechung überhaupt in den Bilateralen drin steckt.

Karrer relativiert, denn schliesslich gehe es nicht um das gesamte EU-Recht, sondern nur um fünf bilaterale Abkommen.

Landolt fände es schlauer, klaren Wein einzuschenken. Denn die Hauptherausforderung des Bundesrat sei nicht, mit der EU zu verhandeln, sondern am Ende das Schweizer Volk davon zu überzeugen.

Christa Tobler am Expertentisch.
Legende: Am Expertentisch: Christa Tobler, Professorin für Europarecht der Universität Basel. SRF

Zum Schiedsgericht ergänzt Tobler, dass dieses nur für Streitfälle und damit nur in Ausnahmefällen vorgesehen sei: In der Praxis würden nämlich die allermeisten Streitfälle untereinander gelöst. Zudem würde das vorgeschlagene Schiedsgericht selber entscheiden, ob es den EuGH anrufe oder nicht. Das könne nicht von einer Partei erzwungen werden. «Und schliesslich entscheidet der EuGH auch dann nur über das EU-Recht, das im Abkommen drin steckt.»

Lampart möchte beim Schiedsgericht statt über das Technische lieber über die inhaltliche Bedeutung sprechen: «Nützt es der Schweiz und den Leuten, die hier arbeiten? Der EuGH spreche – im Gegensatz zu früher – Recht für Firmen, die in einem anderen Land arbeiten wollen und sei darum eher gegen einen Lohnschutz.

Flankierende Massnahmen in der Kritik

Genau dieser Lohnschutz ist der Zweck der sogenannten flankierenden Massnahmen (FlaM), die gemeinsam mit der Einführung der Personenfreizügigkeit mit der EU eingeführt wurden. Sie sollen Lohndumping und missbräuchliche Arbeitsbedingungen verhindern.

Die FlaM der Schweiz werden von der EU stark kritisiert. Lampart, der lieber von Lohnschutz spricht, will darüber mit der EU beim Rahmenabkommen gar nicht sprechen – und erwarten das auch vom Bundesrat.

Karrer sieht das genau gleich, denn die FlaM waren Teil der Bilateralen. Zudem sei der Lohnschutz auch innerhalb der EU ein grosses Thema.

Auch Reimann geht es um den Schutz von Schweizer Arbeitnehmern, aber «ich kämpfe nicht gegen die FlaM, ich kämpfe gegen die Personenfreizügigkeit an sich.» Denn die Flankierenden Massnahmen brauche es ja nur, weil die Schweiz die freie Einwanderung aus der EU zulasse.

Die Krux mit der Guillotine-Klausel

Die bilateralen Verträge I sind mit der sogenannten Guillotine-Klausel verbunden für den Ausnahmefall, wenn ein Abkommen aus dem Paket gekündigt würde. «Diese blöde Guillotine-Klausel» stört Landolt zutiefst: «Ich möchte die Errungenschaften der direkten Demokratie verteidigen. Das Schweizer Volk soll weiterhin mit einem Referendum entscheiden können: ich will das oder ich will das nicht. Das Volk muss Nein sagen dürfen, ohne dass der ganze Rest kollabiert.»

Aber genau dieses Wegfallen der bilateralen Verträge I planen die SVP und die Auns mit ihrer Initiative gegen die Personenfreizügigkeit.

Reimann gibt zu: «Wenn es nicht anders möglich ist, dann Ja. Aber auch diese Initiative sieht nochmals 12 Monate Zeit zum Verhandeln vor. Aber wenn dann wieder kein Ergebnis da ist, dann ist es wichtiger, die Einwanderung selber zu steuern als die anderen sechs Abkommen zu halten.»

Initiative gegen Personenfreizügigkeit

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Die Volksinitiative «Für eine massvolle Zuwanderung» (Kündigungs- oder Begrenzungs-Initiative) will die Personenfreizügigkeit mit der EU aufheben. Sie verlangt, dass «die Schweiz die Zuwanderung von Ausländern eigenständig regelt». Die Volksinitiative wurde lanciert von der SVP und der Auns und befindet sich im Stadium der Unterschriftensammlung bis Juli 2019.

Karrer muss zugestehen, dass bei der Begrenzungs-Initiative absolut klar sei, was gemeint ist, nämlich die Kündigung der Personenfreizügigkeit und aller Abkommen: «Damit kommt es zu einer Abstimmung über die Bedeutung und den Wert dieser bilateralen Verträge und unser Verhältnis mit der EU. Dann ist alles völlig klar.»

Landolt kritisiert aber die übersteigerte Bedeutung, die von Auns und der SVP der Schweizer «Souveränität» zugesprochen werde: «Es ist auch in Geschichtsbüchern nie darum gegangen, dass die Schweiz allein ist und keine Beziehungen mit ihren Nachbarn hat.»

Selbst Lukas Wegmüller, Generalsekretär der NEBS (Neue Europäische Bewegung Schweiz) bedankt sich für die Win-win-Situation, die sich mit dem Wegfall der Bilateralen ergeben würde. Denn ein EU-Beitritt wäre dann wieder eine stärkere Option.

Die tiefe Unterstützung eines EU-Beitritts in Umfragen habe viel zu tun mit dem hohen Zuspruch für die Bilateralen, gibt Landolt zu Bedenken. «Und die erste, die sich dann für einen EU-Beitritt engagieren, wird die Wirtschaft sein – contre-coeur, aber es ist dann das kleinere Übel als die Isolation.»

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