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Auch ohne Arztbesuch Bundesrat will Geschlechtsänderung auf dem Papier vereinfachen

Was soll sich genau ändern? Um die Situation von Transmenschen und Menschen mit einer Geschlechtsvariante zu verbessern, will Bundesrätin Simonetta Sommaruga die Änderung des Geschlechts und des Vornamens im Personenstandsregister vereinfachen.

  • Personen, die innerlich fest davon überzeugt sind, nicht dem im Personenstandsregister eingetragenen Geschlecht zuzugehören, sollen Geschlecht und Vornamen mittels einer einfachen Erklärung ändern können.
  • Eine vorgängige medizinische Untersuchung ist nicht notwendig.

Nach der Änderung des Geschlechtseintrags im Personenstandsregister können rasch neue Dokumente ausgestellt werden, etwa ein neuer Reisepass. Ist die betreffende Person verheiratet, bleibt die Ehe bestehen – das gilt auch für die eingetragene Partnerschaft. Auch Kindesverhältnisse bleiben unverändert bestehen. Der Bundesrat hat die Gesetzesänderungen heute in die Vernehmlassung geschickt.

Wie ist die Situation bei Neugeborenen heute? Momentan muss jedes Kind nach der Geburt innert drei Tagen mit seinen Familien- und Vornamen, seiner Abstammung und seinem Geschlecht beim Zivilstandsamt angemeldet werden. Für die rund vierzig Kinder mit einer Variante der Geschlechtsentwicklung, die jährlich in der Schweiz geboren werden, ist die heutige Regelung schwierig und häufig belastend: Auch wenn das medizinische Fachpersonal das Geschlecht des Neugeborenen nicht bestimmen kann, muss das Kind trotzdem mit einem männlichen oder weiblichen Geschlecht beim Zivilstandsamt angemeldet werden. Das Geschlecht und der Vorname können später nur in einem administrativen oder gerichtlichen Verfahren geändert werden.

Wie ist die Situation bei Transmenschen heute? Gemäss Hochrechnungen leben in der Schweiz 100 bis 200 Transmenschen, die bereits operiert wurden oder die eine Operation in Betracht ziehen. Bis in die jüngste Zeit konnten sie das Geschlecht im Personenstandsregister erst nach einer chirurgischen Sterilisation und einer operativen Angleichung der Geschlechtsorgane ändern lassen. Waren sie verheiratet, mussten sie sich zudem vorher scheiden lassen. Heute wird von solchen Anforderungen zwar abgesehen. Da jedoch keine klare gesetzliche Regelung besteht, müssen Transmenschen weiterhin hohe Hürden überwinden: Sie müssen die rechtliche Anerkennung der Geschlechtsänderung gerichtlich einklagen. Die Rechtspraxis ist uneinheitlich und die Verfahren werden als langwierig und teuer empfunden.

Wann ist die Erklärung zur Änderung des Geschlechts missbräuchlich? Leichtsinnige Erklärungen zur Änderung des Geschlechts müssten Zivilstandsbeamte zurückweisen. Einer betrügerischen Erklärung – beispielsweise, um früher Rente zu erhalten oder der Militärdienstpflicht zu entgehen – würden die zuständigen Behörden die Rechtswirkung versagen. Auch wäre eine solche Erklärung strafbar. Bei Zweifeln sollen die Zivilstandsbeamten zusätzliche Abklärungen vornehmen und beispielweise ein ärztliches Zeugnis verlangen. Bei minderjährigen Personen wäre die Zustimmung der gesetzlichen Vertreterin oder des gesetzlichen Vertreters erforderlich.

Wurde jetzt ein drittes Geschlecht geschaffen? Die Vorschläge des Bundesrates stellen die binäre Geschlechterordnung (männlich/weiblich) nicht in Frage – eine dritte Geschlechtskategorie («unbestimmt» oder anderes) wird nicht eingeführt. Bundesrätin Sommaruga ist aber überzeugt, dass sich die Schweiz mit dieser Frage auseinandersetzen müsse. Deshalb habe sie parlamentarische Vorstösse angenommen, die den Bundesrat beauftragen, die Einführung eines dritten Geschlechts zu prüfen. Den Ergebnissen will Sommaruga nicht vorgreifen.

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