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Schweiz Aufregung um Online-Portal des Bundes

Ausländer, die nur kurz in der Schweiz arbeiten wollen, können sich bequem auf einer Website des Bundes anmelden. Im Tessin herrscht darüber grosser Unmut. Vertreter von SP, Grünen und SVP verlangen in einer gemeinsamen Motion an den Tessiner Grossrat, die Seite vom Netz zu nehmen.

Vittorino Anastasia ist Präsident des Tessiner Baumeisterverbands. Im Prinzip glaubt er an Institutionen, Kontrollen und Regeln. Die Zeiten seien aber extrem, sagt er. Und darum ist er für extreme Massnahmen.

Screenshot der Website des Bundesamts für Migration.
Legende: Die Website des Anstosses: Anmeldung bequem per Internet. srf

Er habe die Statistik bis im April 2013 vorliegen. Danach hat die Zahl der ins Tessin entsandten ausländischen Arbeiter plus die Zahl der Selbständigen um 65 Prozent zugenommen. Dies seien 38'000 Kurz-Einsätze von Arbeitnehmern aus Italien im Tessin. Vor drei Jahren waren es noch drei Mal weniger.

Der Grund: Die italienischen Arbeiter sind billiger als die schweizerischen. Das dürfe aber nicht sein, sagt Anastasia. Denn die 30 Franken Mindestlohn gemäss Schweizer Gesamtarbeitsvertrag beim Bau gelten auch für Arbeiter, die von Italien herkommen.

Hinzu kommen Sozialabgaben, die in Italien höher sind als in der Schweiz. Eigentlich müssten die Firmen und Arbeiter aus Italien also teurer sein als die einheimischen. Sind sie aber nicht. Die einzige Erklärung sei, sagt Anastasia, dass die schweizerischen Lohnvorschriften nicht eingehalten werden.

Solche Missstände sind ein grosses Politikum im Tessin. Der Druck aus der nahen Metropole Mailand mit ihrem riesigen Arbeitskräftereservoir ist immens.

Unmut über Website des Bundes

Firmen und Selbständige aus der EU müssen Einsätze in der Schweiz von bis zu 90 Tagen Dauer bei den Behörden anmelden. Das geht bequem und online, auf der Website des Bundesamts für Migration (BFM). Das soll aufhören, fordern nun Motionäre einer seltenen Koalition aus Tessiner SVP, SP und Grünen.

Audio
Online bequem und rasch zu kurzfristigen Arbeitsbewilligungen
aus Rendez-vous vom 22.05.2013. Bild: Keystone
abspielen. Laufzeit 4 Minuten 11 Sekunden.

Sergio Savoia, Koordinator der Tessiner Grünen, stellt klar: Er sei gegen eine Mauer an der Grenze zu Italien. Schliesslich hänge ein Grossteil der Tessiner Wirtschaft ab von der lombardischen Volkswirtschaft mit ihren zehn Millionen Menschen. Doch es brauche Regeln. Der Zugang zum Tessiner Markt sei mit der Online-Anmeldung extrem vereinfacht worden, sagt Savoia. Schweizer, die umgekehrt in der Lombardei arbeiten möchten, stünden dagegen vor einer gigantischen Bürokratie.

Savoia will deshalb, dass die Schweizer nicht mehr als Dummköpfe dastehen, als Perfektionisten, die päpstlicher sind als der Papst. Darum sollen Interessenten aus Italien ihre Anmeldungen persönlich an einem Schweizer Schalter abgeben müssen.

Offiziell will niemand Stellung nehmen

Wo liegt denn überhaupt der Ball in der Sache? Drei Anläufe für Stellungnahmen von Verantwortlichen scheiterten:

Die Leiterin der Arbeitsmarktaufsicht in der Tessiner Kantonsverwaltung will sich nicht mehr exponieren: Sie hatte in einem Interview erklärt, dass sich der Arbeitsaufwand dank der Online-Erfassung auf wenige Minuten pro Fall beschränke. Würde die Webseite geschlossen, müssten bis zu 20 Beamte zusätzlich angestellt werden. Die Sonntagszeitung der Lega dei Ticinesi griff die Geschichte über die «Webseite der Schande», wie sie sie nannte, auf. Dabei nannte das Blatt den Namen der Frau. Daraufhin wurde sie Opfer von Bedrohungen.

Ihr Vorgesetzter Stefano Rizzi ist Leiter des Wirtschaftsamtes in der Tessiner Volkswirtschaftsdirektion. Im Vergleich zur Gesamtzahl der Arbeitnehmenden sei jene der Kurz-Einsätze aus dem Ausland zwar gering, sagt er. Doch die Situation am Tessiner Arbeitsmarkt sei sehr angespannt, die Diskussion äusserst kontrovers. Ohne Rückendeckung der Kantonsregierung will auch er nichts zu der Website sagen.

Bleibt das Bundesamt für Migration, das die umstrittene Webseite betreibt: Zur Zeit könne man keine Stellungnahme abgeben, heisst es auch von dort.

Das sind gute Voraussetzungen, dass das Thema auf der politischen Agenda bleiben dürfte.

(snep)

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