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BAG verzichtete auf Beratung Was macht die Pandemie-Kommission in der Krise?

Der Bund greift nicht auf das langjährige Expertengremium zurück. Für Präsidentin Anne Iten ist das kein Widerspruch.

Die Präsidentin der Pandemie-Kommission, Anne Iten, kennt sich mit Infektionskrankheiten aus. Ihre Arbeit ist es, die Genfer Universitätsspitäler (HUG) vor solchen Krankheiten oder der Grippe zu schützen. Wegen des Coronavirus arbeitet sie seit Weihnachten für die HUG praktisch durch.

Bricht eine Pandemie aus, dann würde ihre Kommission eigentlich auch das Bundesamt für Gesundheit beraten. Das BAG verzichtete aber darauf, wie Iten berichtet: «Als die Krise kam, habe ich das BAG auf die Erwartungen an die Kommission angesprochen. Man sagte mir im BAG, man werde sich bei Bedarf melden. Bis dahin solle jeder an seinem Platz weiterarbeiten. Das haben wir getan.»

Man sagte mir im BAG, man werde sich bei Bedarf melden.
Autor: Anne Iten Präsidentin der Eidgenössischen Kommission für Pandemievorbereitung und -bewältigung (EKP)

Iten stört das nicht, denn schliesslich ist sie voll beschäftigt im Kampf gegen das Coronavirus. Und das sind auch etliche der anderen 13 Kommissionsmitglieder – wie etwa der inzwischen landesweit bekannte Tessiner Kantonsarzt Giorgio Merlani.

Kritik an der Pandemie-Kommission

Dass nun der Bundesrat zur Bewältigung der Krise andere wissenschaftliche Kommissionen ins Leben gerufen hat, empfindet die Präsidentin der Pandemie-Kommission nicht als Konkurrenz. Hingegen tritt die Kommission derzeit nicht in Erscheinung und wird dafür auch kritisiert.

Das wiederum bekommt auch Iten spüren: «Leute riefen an und fragten, ob wir eigentlich nichts täten. Ich sagte ihnen, dass wir vor allem für die Vorbereitung der grossen Richtlinien zuständig und tätig seien.»

Diese Richtlinien finden sich im Pandemieplan wieder. Hier fliessen nicht nur rein medizinische und epidemiologische Überlegungen ein, sondern auch Kapitel über Ethik oder Information der Bevölkerung. Es sind alles Kapitel, an denen die Pandemie-Kommission seit Jahren gearbeitet hat.

Anne Iten.
Legende: Präsidentin der Pandemie-Kommission Anne Iten: Koordination bei Corona besser als bei der Schweinegrippe vor zehn Jahren. Keystone

So wurde der Pandemieplan zuletzt alle zwei Jahre überarbeitet. Die nächste Revision hätte dieses Jahr vorgenommen werden sollen. Nun kam das Coronavirus dazwischen. Iten sieht das auch als Gelegenheit, zu lernen: «Wir werden sehen, wie das System funktioniert und wo Lehren gezogen werden müssen.»

Kritik wegen fehlender Masken

Fragt sich nur, welche Lehren man aus den Vorbereitungen der Schweiz zieht. Vor allem bezüglich Schutzmasken und Testmaterial gibt es Kritik aus der Politik wie aus der Medizin.

Dennoch hat Iten den Eindruck, dass heute mit dem Coronavirus besser umgegangen wird als noch mit der Schweinegrippe vor zehn Jahren: «Dank der Erfahrungen mit der Schweinegrippe lief die Koordination besser, und wir haben damit viel Zeit gewonnen.»

Dank der Erfahrungen mit der Schweinegrippe lief die Koordination besser, und wir haben viel Zeit gewonnen.
Autor: Anne Iten Präsidentin der Eidgenössischen Kommission für Pandemievorbereitung und -bewältigung (EKP)

Trotz des Zeitgewinns – die Kritik an einer mangelnden Vorbereitung bleibt. Iten findet es zu früh, auf die einzelnen kritischen Fragen wie jene der Masken einzugehen. Ausserdem sei dafür letztendlich das BAG verantwortlich und nicht die Pandemie-Kommission.

Iten: Pandemieplan wird überarbeitet werden

Beim Pandemieplan zeigten sich aber Grenzen. Denn dieser ist auf die Bekämpfung einer Grippe (Influenza) und nicht auf neuartige Viren ausgerichtet.

Auch deshalb müsse der Plan nach dieser Krise von vorne bis hinten überarbeitet werden, sagt Iten: «Sobald diese Krise vorbei ist, werden wir den Pandemieplan bis ins Detail überarbeiten und schauen, was gefehlt hat und was wir besser machen können.»

Wir werden den Pandemieplan bis ins Detail überarbeiten und schauen, was gefehlt hat und was wir besser machen können.
Autor: Anne Iten Präsidentin der Eidgenössischen Kommission für Pandemievorbereitung und -bewältigung (EKP)

Das sind die Aufgaben der Pandemie-Kommission:

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  • Die Eidgenössische Kommission für Pandemievorbereitung und -bewältigung (EKP) ist eine unabhängige ausserparlamentarische Expertenkommission. Sie berät die Bundesverwaltung in der Vorbereitung auf Pandemien, die durch Influenza- oder andere respiratorische Virentypen verursacht sind.
  • Als Expertengruppe ist die EKP zuständig für die wissenschaftliche Beratung der Bundesverwaltung in Fragen der Pandemievorbereitung und -bewältigung. Diese Aufgabe beinhaltet insbesondere die regelmässige Aktualisierung des nationalen Pandemieplans und die Mitwirkung bei der Ausarbeitung von Empfehlungen.
  • Im Ereignisfall übernimmt die EKP eine beratende Funktion in Fragen der Lage- und Risikobeurteilung sowie in der Wahl der Strategien und Massnahmen zur Bewältigung einer Pandemie.

(Quelle: Bundesamt für Gesundheit)

Echo der Zeit, 17.04.2020, 18:00 Uhr

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