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Belastung durch Strassenlärm Scheinsanierung? Luzerner will Präzedenzfall vor Bundesgericht

Die Strasse von Dominik Hertach gilt offiziell als lärmschutzsaniert. Der Anwohner ist aber alles andere als zufrieden und geht vor das Bundesgericht.

Dominik Hertach aus Kriens hat genug: Er wohnt an einer lauten Verkehrsachse, der Luzernerstrasse. Diese führt mitten durch die Luzerner Vorortsstadt und auf ihr herrscht entsprechend viel Verkehr. Der Lärmgrenzwert wird fast pausenlos überschritten. Und dennoch gilt die Strasse offiziell als lärmschutzsaniert.

Ausschnitt der Lärmkarte des Bundes von der Luzernerstrasse in Kriens.
Legende: Die Karte des Bundes zeigt: An der Luzernerstrasse in Kriens ist Lärmbelastung violett, also deutlich über dem Grenzwert. Screenshot GIS-Lärmdatenbank

Lärmschutzsaniert, aber trotzdem zu laut: Wie kann das sein? Die kantonale Erklärung bezeichnet der Krienser Hertach als «Scheinsanierung» oder auch als «Papiersanierung». Der Kanton nutzt die gesetzlichen Ausnahmebestimmungen. Ist nämlich eine Lärmsanierung nicht mit «verhältnismässigen Massnahmen» zu erreichen, kann der Kanton sogenannte Erleichterungen genehmigen. Das bedeutet: Der Lärm-Grenzwert darf überschritten werden.

Die lärmrechtliche Sanierung des Kantons hat nur auf dem Papier stattgefunden.
Autor: Dominik Hertach

Genauso machte es der Kanton Luzern vor knapp 20 Jahren an der Luzernerstrasse in Kriens, wo Dominik Hertach wohnt und ein Geschäft führt. «Die lärmrechtliche Sanierung des Kantons hat nur auf dem Papier stattgefunden. Effektiv wurde der Lärm nicht gesenkt», kritisiert Hertach. Sein Kampf gegen Strassenlärm kommt nicht von ungefähr, er ist auch Geschäftsführer des VCS Luzern. Gegen die «Papiersanierung» des Kantons Luzerns geht er aber als Privatperson vor. Er hat für den Gang vor das Bundesgericht ein Crowdfunding initiiert und innert einer Woche die Summe von 30'000 Franken zusammenbekommen.

Übermässiger Strassenlärm: Jeder Achte ist betroffen

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Über eine Million Schweizerinnen und Schweizer leiden an übermässigem Strassenlärm. Der Grenzwert wird an ihrem Wohnort überschritten – das zeigen Zahlen des Bundes. Dabei sollte das längst nicht mehr so sein. Vor über 30 Jahren hatte der Bund in der Lärmschutzverordnung festgehalten, dass die belasteten Gebiete geschützt werden müssten. Doch mit der Umsetzung harzt es, insbesondere auch wegen der sogenannten Papiersanierungen.

Auch verschiedene VCS-Sektionen wie Solothurn, Zug oder Liechtenstein unterstützen den Prozess. Sie versprechen sich einen Präzedenzfall vor dem Bundesgericht, der in ihre Regionen ausstrahlen würde. Es ist nämlich das erste Mal, dass eine solche Lärmsanierung mit Erleichterungen im Nachhinein angefochten wird.

Gewinnt der Krienser Dominik Hertach in Lausanne, werden auch andere Kantone ihre Praxis überdenken müssen. Konkret würde das heissen, dass sich die Behörden nicht damit begnügen könnten, an den betroffenen Häusern Lärmschutzmassnahmen zu ergreifen, indem etwa bessere Fenster eingebaut werden. Sondern es müsste an der Lärmquelle selbst saniert werden – also an der Strasse mit Flüsterbelägen oder Tempo 30.

Wie steht es bei Ihnen mit dem Lärm?

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Wer sich fragt, ob beim eigenen Zuhause der Lärmgrenzwert überschritten wird oder nicht, kann sich beim Bund selber informieren. Die entsprechenden Daten sind auf der GIS-Lärmdatenbank sonBASE verfügbar. Auf der entsprechenden Karte kann man die eigene Adresse eingeben und sehen, wie es um die Lärmbelastung steht.

Regionaljournal Zentralschweiz, 02.10.2020, 12:03 Uhr ; 

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