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Bundesratswahlen 2015 Thomas Aeschi: Die Sphinx vom Zugersee

Eloquent, dossiersicher, Bilderbuch-Karriere: Der Zuger Thomas Aeschi ist der Shooting-Star der Schweizer Politik. Jetzt will er seinen kometenhaften Aufstieg mit der Berufung in den Bundesrat krönen. Neben viel Lob gibt es auch Kritik am Senkrechtstarter: Er gilt als unnahbar, zuweilen verbissen.

Seine Nomination als Bundesratskandidat ist gerade mal ein paar Minuten alt, da sorgt Thomas Aeschi bereits für die erste faustdicke Überraschung. Im Radiointerview nach der SVP-Medienkonferenz gibt der Zuger bekannt:«Wir wollen in Zukunft auch in der Romandie oder im Tessin mit einem Bundesrat vertreten sein. Und dafür werde ich mich auch einsetzen.»

Ein Bundesratskandidat, der für seine Konkurrenten die Werbetrommel rührt – das hat es wohl noch nie gegeben. Will Thomas Aeschi etwa gar nicht Bundesrat werden? Noch im Mai dieses Jahres hatte der 36-jährige in der TV-Sendung «Giacobbo/Müller» alle Ambitionen abgestritten: «Ich habe überhaupt kein Interesse an der Bundesratswahl. Ich bin der ersten Legislatur, das gibt sehr viel Arbeit.»

Die Situation neu beurteilt

Heute nun betont der Deutschschweizer Vertreter auf dem SVP-Dreiblatt, er habe sehr wohl Interesse. Situationen müsse man dann beurteilen, wenn sie sich stellten: «Im Mai war die Situation eine andere, als sie heute im Herbst ist. Jetzt ist es der richtige Zeitpunkt.» Auch die freundlichen Worte für die Mitbewerber aus der lateinischen Schweiz sind nicht mehr zu hören.

Audio
Thomas Aeschi - der Neugierige
aus Echo der Zeit vom 26.11.2015. Bild: Keystone
abspielen. Laufzeit 4 Minuten 52 Sekunden.

Sein eigenes Argument, als Nationalrat mit nur einer Legislatur Erfahrung sei er nicht reif für den Bundesrat, zählt für ihn nicht mehr. «Im Gegenteil. Ich bin zwar ein junger Kandidat, aber einer mit sehr viel Energie und Schaffenskraft. Ich möchte wirklich etwas für die Schweiz bewegen.» Das nötige Rüstzeug habe er sich in der Privatwirtschaft und in der Politik bereits geholt, meint Aeschi.

Eloquent, gescheit – und verbissen?

Hier macht einer klar: Ich will Bundesrat werden! Die steile Karriere des Finanzpolitikers soll mit dem Einzug in die Landesregierung ihre Krönung erfahren: Studium an der HSG St. Gallen, an der Elite-Universität Harvard, in Tel Aviv und Malaysia; Oberleutnant im Militär. Unternehmensberater für das renommierte Unternehmen Price Waterhouse Coopers. Makellos erscheint die Biographie des Thomas Aeschi.

Geschliffen sei er, immer bestens vorbereitet, eloquent, gescheit. Das sind die freundlichen Urteile von Parlamentskollegen, die allesamt nicht in ein Mikrofon sprechen wollen. Doch nach dem Lob folgt bei fast allen Kritik: Verbissen sei er, ein Streber, unnahbar, fast schon unheimlich.

(Über-)eifriger Politiker

Bei der Beratung des Finanzmarktinfrastrukturgesetzes zum Beispiel in der Wirtschaftskommission habe Aeschi nicht weniger als 80 Anträge eingereicht. Durchgebracht habe er fast keinen, weil er es nicht verstehe, andere zu überzeugen.

Kandidat Aeschi selbst sagt dazu: «Ich habe lieber eine Kommissionssitzung, die ein oder zwei Stunden länger geht, wenn ich sie dann guten Gewissens verlassen kann.» Dies sei der Fall, wenn er sagen könne: «Alle Punkte, bei denen ich ein ungutes Gefühl hatte, wurden besprochen. Es ist nichts liegen geblieben oder undiskutiert durchgewunken worden.»

«Standleitung» zwischen Zug und Herrliberg

Den viel gehörten Vorwurf, er sei bloss der verlängerte Arm von Christoph Blocher und zwischen Zug und Herrliberg bestehe quasi eine «Standleitung», weist Thomas Aeschi weit von sich. Ja, der SVP-Stratege sei ein Vorbild, er habe viel von ihm gelernt. Aber: «Christoph Blocher hat anderes zu tun, als jede Entscheidung auf kommunaler Ebene mit mir zu besprechen.»

Video
Thomas Aeschi
Aus 10 vor 10 vom 27.11.2015.
abspielen. Laufzeit 3 Minuten 27 Sekunden.

Und der Unternehmensberater ist bemüht, zumindest etwas Licht in die Black Box Thomas Aeschi zu bringen. Bisher total verschwiegen, was seine Beratertätigkeit bei Price Waterhouse Coopers betrifft, gibt der Bundesratskandidat jetzt zumindest so viel preis: «Ich habe einmal einen Staatsfonds, einmal eine Zentralbank beraten. Aber alle anderen Mandate waren im Privatsektor; in der Telekommunikationsbranche, in der Finanzbranche. Das waren meine Hauptmandate.»

Forscher Politiker – zurückgezogener Privatmann

Konkreteres gibt es aus Gründen des Berufsgeheimnisses nicht. Und auch über sein Privatleben ist nicht viel mehr zu erfahren, als dass er in seiner Jugend viel Zeit auf einem Bauernhof verbracht habe und viel gereist sei. «In der Politik ist man in der Öffentlichkeit, und auch öffentlicher Kritik ausgesetzt», sagt Aeschi. Er finde es aber auch wichtig, als Politiker ein Privatleben zu haben, «wo nicht jederzeit das Fernsehen und das Radio den Kopf zur Türe reinstrecken.»

Ob das der Vereinigten Bundesversammlung in Sachen Transparenz genügt, entscheidet sich in den Hearings mit den drei SVP-Bundesratskandidaten, die die Fraktionen nächste und übernächste Woche veranstalten. Die Prognose sei gewagt, dass Thomas Aeschi auch danach für viele eine Sphinx bleiben dürfte.

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