Zum Inhalt springen

Bundesverwaltungsgericht Einseitige Richtergremien sorgen für Unmut

Reine SVP-Gremien, die über Asyl entscheiden? Ein Programm, das die Fälle am Bundesverwaltungsgericht zuteilt, sorgt für eigenartige Resultate.

Ein Mann aus Sri Lanka sitzt seit drei Jahren in der Schweiz fest, ohne dass sein Asylgesuch von den Behörden je geprüft wurde. «Ohne jede nachvollziehbare Begründung hat ein Doppel-SVP-Gremium entschieden: Nein, du darfst kein Asylgesuch einreichen», erzählt Gabriel Püntener, der Anwalt des Flüchtlings. Püntener sagt, dass sich solche Fälle häuften: Auffallend harte Entscheide, geprägt durch SVP-Mehrheiten.

Bundesverwaltungsgericht dementiert

Beim Bundesverwaltungsgericht lehnt man es ab, über Einzelfälle zu sprechen. Vielmehr bestreitet die Gerichtsleitung das Problem. Weil: Richter würden zwar nach Parteizugehörigkeit gewählt, aber das habe keine weitere Bedeutung. «Die Richter sind Verfassung und Gesetz verpflichtet, das Parteibuch ist für sie nicht relevant», versichert Bernhard Fasel von der Gerichtsleitung.

Eigentlich hat das Bundesverwaltungsgericht dafür gesorgt, dass an der fairen Zusammensetzung der Gerichte kein Zweifel bestehen sollte. Der sogenannte «Bandlimat», ein Computerprogramm benannt nach dem ersten Gerichtspräsidenten Christoph Bandli, wählt die zuständigen Richter aus. In 95 Prozent der Fälle laufe das vollautomatisch, versicherte das Gericht in Urteilen und gegenüber der Öffentlichkeit. Doch jetzt zeigt sich: Das stimmt so nicht.

Regelmässige Eingriffe

Rechtsanwalt Püntener hat ein mathematisches Gutachten erstellen lassen. Das zeigt: Auffallend häufig bekam er Richter zugeteilt, mit deren Urteilen er schon früher unzufrieden war. Er reichte deshalb eine Aufsichtsbeschwerde beim Bundesgericht ein. Dabei zeigte sich: Beim Automat wurde nicht nur in 5 Prozent, sondern in 30 Prozent der Fälle eingegriffen. Das bedeutet, die Richterzuteilung wurde nachträglich abgeändert. Das Bundesgericht fand damals, das sei zulässig. Wegen Abwesenheit, Befangenheit – oder um politisch einseitige Spruchkörper zu verhindern, werde die automatische Richterzuteilung jeweils geändert.

Dem widerspricht das Bundesverwaltungsgericht in einem zentralen Punkt: Wegen politischer Einseitigkeit sei noch nie ein Spruchkörper korrigiert worden. Die Parteizugehörigkeit der Richter sei unerheblich, sie urteilten neutral. Eine Studie der ETH dagegen kommt zum Schluss: Gerade im Asylrecht urteilen SVP-Richter deutlich strenger als andere.

Einseitige Gerichte sind Alltag

Jetzt zeigt sich: Politisch einseitige Gerichte sind Alltag am Bundesverwaltungsgericht. Die «Rundschau» hat die Entscheiddatenbank des Gerichts ausgewertet. 134 Fälle von Rechtsanwalt Püntener entschied das Gericht 2019. Dabei wurden 43 Prozent der Entscheide von Spruchkörpern gefällt, die politisch einseitig waren. Einmal hatte die FDP die Mehrheit, zweimal die Grünen, zehnmal waren es SP-Richter. Gleich 45-mal stellten SVP-Richter die Mehrheit. Davon waren achtmal sogar alle drei Richter SVP-Mitglieder. Zu dieser Häufung wollte sich das BVG nicht äussern.

Der Basler Verfassungsrechtler Markus Schefer sagt, als Ausnahme seien einseitige Spruchkörper unproblematisch. Aber das Bundesverwaltungsgericht müsste sicherstellen, dass das nicht zur Regel werde, weil sonst «die Recht­sprechung, die das Gericht entwickelt, von Spruchkörpern dominiert wird, die parteipolitisch einseitig zusammen­gestellt sind.» Das zu verhindern, sei ein wichtiger Grundsatz.

«Rundschau»

Box aufklappen Box zuklappen
«Rundschau»

Mehr zum Thema in der « Rundschau » um 20.05 Uhr auf SRF 1.

Rundschau, 27.01.2021, 20:05 Uhr

Meistgelesene Artikel