Das Verdikt war am Schluss deutlich: Die Bevölkerung der Stadt Zürich will sich den Eintritt in die Freibäder weiterhin etwas kosten lassen. Über 54 Prozent der Stimmbevölkerung sprachen sich gegen eine Initiative für Gratis-Badis aus. Damit ereilte das Anliegen das gleiche Schicksal wie vor Kurzem in der Stadt Solothurn. Dort wurde der kostenlose Eintritt ins Freibad im August bereits auf Parlamentsebene bachab geschickt.
Auch Gratis verursacht Kosten
Das Resultat der Zürcher Abstimmung erstaune ihn nicht, sagt Thomas Widmer, Professor am Institut für Politikwissenschaft an der Universität Zürich. «In der Schweiz ist es nicht unüblich, dass Angebote, die gratis daherkommen, in Volksabstimmungen kritisch beurteilt werden. Man sieht, dass die entsprechenden Leistungen finanziert werden müssen.» Die Stadt Zürich zum Beispiel bezifferte die jährlichen Kosten für Gratis-Badeanlagen auf 15 Millionen Franken.
Einen weiteren Grund sieht Widmer im eher konservativen Abstimmungs-Verhalten der Schweizerinnen und Schweizer. «Die Stadt Zürich scheint hier jetzt nicht unbedingt der typische Fall zu sein.» Aber grundsätzlich gelte schon: «Man will mit einer Zustimmung eine Verbesserung des Status quo erreichen. Und wenn diese Verbesserung nicht deutlich genug ist, dann legt man eher ein Nein in die Urne.»
Dauerbrenner: Gratis-ÖV
Initiativen, die ein kostenloses Angebot fordern, haben es in der Schweiz tatsächlich schwer. Das Badi-Nein in Zürich reiht sich ein in eine ganze Serie von Gratis-Initiativen, die keinen Zuspruch fanden. Besonders hartnäckig sind und waren dabei Versuche, den Öffentlichen Verkehr für die ganze oder einen Teil der Bevölkerung kostenlos zu machen. Vor zehn Jahren lehnte der Kanton Glarus ein solches Anliegen an der Landsgemeinde ab, zwei Jahre später fand Gratis-ÖV für junge Leute in der Stadt St. Gallen keine Mehrheit.
Die Absicht hinter diesen Initiativen sei immer die gleiche, sagt Politikphilosophin Katja Gentinetta. «Es geht dabei um eine Umverteilung der Kosten.» Sprich: Diejenigen, die es zahlen können, sollen es für die zahlen, die es nicht können. Gentinetta ist wie Widmer überzeugt, dass die Bevölkerung aber sehr wohl weiss: «Ein Gratis-Angebot als solches gibt es nicht. Alles, was gratis ist, muss irgendjemand bezahlen.»
Auch bei der Abstimmung über das Grundeinkommen sei dies den Leuten bewusst geworden. «Wenn man die Leute fragt, ob sie ein monatliches Grundeinkommen wollen, dann sagen sie Ja. Wenn man sie aber fragt, ob sie ein monatliches Grundeinkommen bezahlen wollen, dann ist die Überlegung schon ganz eine andere.» Das Stimmvolk lehnte das bedingungslose Grundeinkommen im Juni 2016 an der Urne mit 77 Prozent Nein-Stimmen wuchtig ab.
Gratis-Initiativen sind nicht per se chancenlos
Trotz Skepsis beim Schweizer Stimmvolk: Die nächsten Gratis-Initiativen stehen schon in den Startlöchern. In der Stadt Zürich wollen die JUSO, dass Tram und Bus nichts mehr kosten und haben eine entsprechende Initiative lanciert. Und in Basel-Stadt hat die SP die Kindertagesstätten im Visier. Die Partei hat im Oktober eine Initiative mit über 3000 Unterschriften eingereicht, damit die Betreuung von Kindern bis ins Primarschulalter kostenlos wird.
Politikphilosophin Katja Gentinetta glaubt, dass es solche Initiativen auch in Zukunft schwer haben, «solange wir ein politisches und wirtschaftliches System haben, dass Leistung belohnt.» Wenn der Gedanke der Umverteilung mehr Platz einnimmt, dann seien diese Initiativen interessanter.