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Das Corona-Schulden-Loch
Aus Einfach Politik vom 29.05.2020. Bild: SRF
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Corona-Schulden-Loch Was uns die Pandemie kostet

Es lief grad so gut. Es waren die fetten Jahre. 12 Jahre lang hatte das Land Überschüsse gemacht und 30 Milliarden Schulden abbezahlt.

Serge Gaillard, der Direktor der eidgenössischen Finanzverwaltung, beschloss, seine Pensionierung etwas zu verschieben. Im Frühling 2021 wollte er eine geordnete Übergabe eines intakten Finanzhaushalts machen.

Der Bund hat die Einkommen der Menschen im Land gesichert.
Autor: Serge GaillardDirektor Eidgenössische Finanzverwaltung

Am 22. Februar sitzt er im Radiostudio für die «Samstagsrundschau». Gaillard verteidigt die Finanzpolitik des Bundes, erklärt, warum es sinnvoll gewesen sei, in guten Zeiten Schulden abzubauen: «Es kommen dann wieder einmal schlechtere Zeiten. Und dann hat man einen grösseren Handlungsspielraum, wenn man weniger verschuldet ist».

Leere Parkplätze von oben fotografiert.
Legende: Jeder Tag des Lockdowns kostete nicht nur die Unternehmen Geld, sondern auch den Bund. Keystone

3 Tage später beginnen die schlechteren Zeiten. Die Schweiz hat den ersten bestätigten Corona-Fall. Gut drei Wochen später erklärt der Bundesrat die ausserordentliche Lage und fährt – für den Schutz vor der Epidemie – die Schweiz herunter.

Serge Gaillard

Serge Gaillard

Direktor der eidgenössischen Finanzverwaltung

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Dr. oec. publ. Serge Gaillard wurde 2012 vom Bundesrat zum Direktor der Eidgenössischen Finanzverwaltung gewählt. Zuvor leitete er im Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) die Direktion für Arbeit. Gaillard ist Vater zweier erwachsener Töchter und lebt in Zürich.

Das kostete bis heute mehr als 30 Milliarden Franken. «Der Bund ist für die Wirtschaft eingesprungen. Er hat mit dem Geld vor allem die Einkommen der Menschen im Land gesichert», so Gaillard rückblickend, «das waren ausserordentliche Ausgaben in ausserordentlichen Zeiten».

Mit Krediten Firmen gerettet

Bei diesen gut 30 Milliarden wird es nicht bleiben. Bis zu 40 Milliarden Franken garantiert der Bund an Krediten für von den Corona-Massnahmen gebeutelte Unternehmen. Noch sind erst Kredite in der Höhe von etwa 15 Milliarden vergeben worden.

Ein Mann mit Anzug blickt nachdenklich, hinter ihm sieht man die Schweizer Fahne.
Legende: Finanzminister Ueli Maurer muss Vorschläge machen, wie der Bund seinen Schuldenberg abbauen kann. Keystone

Und auch wenn es noch mehr werden sollten, Finanzminister Ueli Maurer geht davon aus, dass die meisten dieser zinslosen Darlehen zurückbezahlt werden und so dem Bund keine Kosten entstehen. Allerhöchstens 10 Prozent der gesamten Summe – das wären 4 Milliarden – werde sich der Bund ans Bein streichen müssen, rechnet Maurer.

Woher kommt das viele Geld?

Um an das viele Geld zu kommen, muss sich die Schweiz verschulden. Und hier kommt ihr der ausgezeichnete Finanzhaushalt der letzten Jahre zugute: Dank der Schuldenbremse (siehe Erklärvideo unten), die in guten Jahren zu Überschüssen zwingt und nur in schlechten Jahren mehr Ausgaben ermöglicht, steht die Schweiz als guter Schuldner da, als einer, dem der Gläubiger gerne sein Geld ausleiht.

Video
Die Schuldenbremse
Aus ECO vom 14.02.2011.
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Darum zahlen Pensionskassen, Versicherungen aber auch Privatpersonen aus dem In- und Ausland für 10-jährige Darlehen, für die Bundes-Obligationen, sogar einen Negativ-Zins, ein halbes Prozent, damit sie der Schweiz Geld leihen können. «Das sind Anleger, die ihr Geld einfach sehr sicher investieren wollen. Für uns bedeutet das, wir bekommen das Geld nicht nur problemlos, wir verdienen sogar noch ein bisschen daran», erklärt Gaillard.

Schulden abstottern, aber wie?

Und trotzdem ist es für das Finanzdepartement keine Option, diese Schulden einfach stehen zu lassen. Zu unsicher ist die Zukunft: Das Zinsumfeld kann sich verändern.

Vor einem geschlossenen Geschäft sind Stühle an einen Tisch gelehnt.
Legende: Dank Bundesgeldern konnten geschlossene Unternehmen die Zwangsschliessung überleben. Keystone

Und eine höhere Schuldenlast verschlechtert das Image als Schuldner und – so der Chef-Kassenwart Gaillard: «Es gibt immer wieder Krisen. Es wird auch nach Corona Krisen geben. Und darum wollen wir die Schulden abbauen. Nur dann können wir uns mit gutem Gewissen in einer kommenden Krise wieder verschulden.»

Drei Varianten gibt es – grob skizziert – für den Weg aus den Corona-Schulden. Die harte Tour, die weiche Tour und – an sich beliebig variierbare – Wege dazwischen.

Variante 1: Die harte Tour

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Variante 1: Die harte Tour

Die harte Tour orientiert sich streng an der Schuldenbremse. Sie sieht vor, dass ausserordentliche Schulden innert sechs Kalenderjahren abgebaut werden sollen. Wenn man von 30 Milliarden aussordentlicher Schulden ausgeht, würde das bedeuten: 5 Milliarden abzahlen jedes Jahr bis etwa 2027. «Das hätte wohl eine radikale Sparpolitik zu Folge», sagt Gaillard und warnt: «So würde man die wirtschaftliche Erholung gefährden.»

Variante 2: Die weiche Tour

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Ein Sparschwein steht neben einer Sanduhr.
Legende: Getty Images

Man lässt die Schuld, Schuld sein und baut sie einfach sukzessive ab, so, wie die Schweiz eben immer mit Schulden umgeht. Da die Schweiz dank den Regeln der Schuldenbremse im Schnitt rund 1 Milliarde Schulden pro Jahr abzahlen kann, wären die Corona-Milliarden in 30 Jahren abgestottert. Nachteil: 30 Jahre sind eine lange Zeit mit entsprechend vielen Unwägbarkeiten inklusive der Gefahr, dass sich das Land wegen einer neuen Krise zusätzlich verschulden muss.

Variante 3: Der Mittelweg

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Ein Sparschwein hat ein Massband umgelegt bekommen.
Legende: Getty Images

Schuldenabbau ja, aber nicht zu schnell und auch nicht zu langsam. FDP-Präsidentin Petra Gössi zum Beispiel brachte eine Frist von 15 Jahren ins Spiel. Das hiesse 2 Milliarden für den Schuldenabbau verwenden pro Jahr, was immer noch ein stattliche Summe ist und den finanziellen Spielraum einschränken würde. Auch von der SVP, konkret von Nationalrat Thomas Matter, kamen gegenüber Radio SRF solche Signale.

Vieles deutet darauf hin, dass sich der Mittelweg durchsetzen könnte. Auch Ueli Maurer, ein Freund des oben erwähnten Thomas Matters, denkt selbst in diese Richtung und fasst eine Frist von 15 Jahre ins Auge, um die auf 30 Milliarden Franken geschätzten Schulden abzustottern.

Das Gebäude der Schweizer Nationalbank in Bern von vorne fotografiert.
Legende: Die Gewinnausschüttung der Schweizer Nationalbank könnte theoretisch dafür verwendet werden, um die Corona-Schulden schneller abzubauen. Keystone

Dafür will er nicht nur Geld aus dem ordentlichen Budget verwenden, sondern auch fix die jährliche Gewinnausschüttung der Nationalbank einsetzen – das sind zwischen 300 Millionen und 1.3 Milliarden Franken pro Jahr. Nachteil: Dieses Geld fehlt dann in der Bundeskasse für andere Wünsche. Vielleicht darum ist Maurer mit diesem Vorschlag bei seinen Kollegen dem Vernehmen nach erst mal aufgelaufen.

Weitere finanzielle Corona-Folgen

Die Wirtschaftskrise, in die uns Corona gestürzt hat, wird aber auch Auswirkungen auf die Finanzen in den Kantonen und Gemeinden haben – und das desto mehr, je länger die Rezession dauert.

In einer geschlossenen Freiluft-Badi sieht man die leeren Umzugskabinen.
Legende: Keystone

Hohe Arbeitslosigkeit führt zu tieferen Einkommen. Das führt zu weniger Steuereinnahmen auf allen staatlichen Ebenen. Und bleiben viele Menschen lange Zeit arbeitslos, landen sie in der Sozialhilfe.

Diese Kosten tragen die Kantone und Gemeinden und das kann diese in finanzielle Schieflage bringen. Gut möglich also, dass die Nach-Corona-Zeit Sparrunden bringt, die wir dann ganz konkret zu spüren bekommen.

Podcast «Einfach Politik»

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Podcast «Einfach Politik»

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