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Covid-Kompetenzen der Kantone Heikle Covid-Regeln: Solothurner Lösung für die ganze Schweiz?

Covid-Schutzmassnahmen der Kantone sind staatsrechtlich heikel. Solothurn hat dafür eine vorbildliche Lösung gefunden.

Die heikle Rolle der kantonsärztlichen Dienste: Es sind grosse Eingriffe in die gesellschaftliche oder wirtschaftliche Freiheit, die aktuell zur Tagesordnung gehören. Von der Maskenpflicht an öffentlichen Orten, über die Begrenzung der Gästezahl an privaten Treffen bis zu Einschränkungen für Bars und Restaurants: Die Covid-Schutzmassnahmen treffen die freiheitliche Ordnung der Schweiz empfindlich. Ein heikler Punkt dabei: Neben den Massnahmen, die der Bundesrat direkt für die ganze Schweiz beschliesst, werden die meisten Massnahmen in vielen Kantonen von der Verwaltung angeordnet, vom kantonsärztlichen Dienst.

Keine direkte politische Verantwortlichkeit: Im Gegensatz zu einem kantonalen Parlament oder der Regierung ist der kantonsärztliche Dienst allerdings eine Verwaltungsstelle und damit nicht direkt politisch legitimiert. Trotzdem haben die Kantonsärztinnen und -ärzte in der Corona-Pandemie weitgehende Befugnisse. Viele Kantone, darunter Bern, Zürich, St. Gallen oder der Aargau, erteilen dem kantonsärztlichen Dienst mittels Verordnung das Recht, während einer Epidemie die geeigneten Bekämpfungsmassnahmen zu treffen. Dazu gehören nicht nur individuelle Anordnungen, sondern auch Massnahmen, welche die ganze Bevölkerung betreffen.

Staatsrechtlich heikle Kompetenzen: Die aktuellen Befugnisse der kantonsärztlichen Dienste seien unschön, heisst es auf Anfrage von SRF bei verschiedenen Staatsrechtsexpertinnen. «Aktuell stösst der Ansatz an seine Grenzen, weil es um weitreichende Massnahmen geht, die intensive Grundrechtseingriffe beinhalten», sagt beispielsweise Nula Frei, Rechtsprofessorin an der Universität Freiburg. Die Verwaltung erhalte so quasi rechtssetzende und nicht nur rechtsanwendende Kompetenzen. Allerdings habe man beim Verfassen der kantonalen Epidemiegesetze wohl kaum die heutige Situation voraussehen können.

Rechtsstreit um kantonale Covid-Verfügung in Luzern

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Die weitgehenden Befugnisse von Verwaltungsstellen bei Covid-Massnahmen sorgten im Kanton Luzern bereits für einen Rechtsstreit. Eine Privatperson hatte geklagt, dass die in Luzern für Covid-Verfügungen zuständige Dienststelle für Gesundheit und Sport gar nicht die Berechtigung habe einschneidende Massnahmen zu erlassen. Konkret ging es um die Beschränkung der Gästezahl bei Veranstaltungen. Das Kantonsgericht gab der Beschwerde Mitte Oktober recht und kam zum Schluss, dass die Anordnung einen generellen Charakter habe und somit den Rahmen einer Verfügung sprenge, welche von einer Verwaltungsstelle erlassen werden kann.

Auch wenn das Urteil noch nicht rechtskräftig ist, hat die Luzerner Regierung angekündet, man wolle die Zuständigkeiten für solche Massnahmen einer Verordnung neu regeln. Die bisherige Regelung stamme noch aus den 90er Jahren.

Solothurn schränkt Kompetenzen des Kantonsarztes ein: Bereits reagiert auf die heikle Situation hat der Kanton Solothurn und zwar schnell und pragmatisch mitten in der Pandemie. Aus dem Kantonsparlament kam die Forderung, die Regierung solle die gesetzlichen Grundlagen so anpassen, dass weitreichende Covid-Massnahmen künftig offiziell von ihr selber zu beschliessen sind und nicht mehr vom Kantonsarzt. Die Regierung hat daraufhin rasch die entsprechende Verordnung angepasst. Seit Mitte Oktober beschliesst nun der Solothurner Gesamtregierungsrat direkt die Covid-Schutzmassnahmen.

Keine Kritik, sondern Grundsatzfrage: Im Kantonsparlament wurde während der Diskussion betont, es gehe nicht um Kritik an den Entscheiden des Kantonsarztes. Vielmehr müsse grundsätzlich geklärt werden, wer in einer solchen Pandemie-Situation eigentlich die Befugnis habe stark einschränkende Anordnungen zu treffen, zumal diese ja grosse Teile der Bevölkerung und Wirtschaft betreffen.

Solothurner Lösung als konstruktiver Vorschlag für ganze Schweiz: Die schnelle Reaktion des Kantons Solothurn erhält Lob von Staatsrechtlerin Nula Frei: «So kann man sehr wahrscheinlich auch politisch-rechtlichen Problemen rechtzeitig aus dem Weg gehen.» Natürlich bleibe es weiterhin Sache der einzelnen Kantone, die Covid-Kompetenzen der kantonsärztlichen Dienste anzupassen, das Solothurner Modell könnte dabei aber durchaus ein Vorbild sein.

Wie gehen die kantonsärztlichen Dienste mit der neuen «Macht» um?

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Rudolf Hauri ist Präsident der Schweizerischen Vereinigung der Kantonsärzte und damit quasi oberster Kantonsarzt der Schweiz. Angesprochen auf die weitreichenden Kompetenzen, welche die kantonsärztlichen Dienste in vielen Kantonen bei der Anordnung von Covid-Massnahmen haben, sagt er, es sei weniger Macht und mehr eine grosse Verantwortung, die über eine einzelne Person hinausgehe. Die Kantonsärztinnen und -ärzte seien eigentlich für individuelle Anordnungen zur Sicherung der öffentlichen Gesundheit verantwortlich und tatsächlich nicht für Massnahmen mit grossen gesamtgesellschaftlichen Auswirkungen, die sie aktuell vielerorts anordnen müssen: «Hier wäre aus rechtsstaatlichen Gründen ein breit abgestützter politischer Entscheid wünschenswert.»

Im Kanton Zug, wo Hauri als Kantonsarzt tätig ist, ist die Regelung bereits so, dass Massnahmen mit gesamtgesellschaftlicher Wirkung von der Regierung angeordnet werden und nicht vom Kantonsarzt. Das Modell also, das kürzlich auch der Kanton Solothurn umgesetzt hat. Hauri begrüsst explizit die Diskussion zum Thema Kompetenzen der kantonsärztlichen Dienste und favorisiert persönlich klar das Zuger beziehungsweise das Solothurner Modell.

Regionaljournal Aargau Solothurn, 17:30 Uhr ; 

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