Eveline Widmer-Schlumpf hatte heute ihren letzten Auftritt als Bundesrätin im Nationalrat. Sie verabschiedete sich mit den Worten: «Ich wünsche Ihnen alles Gute. Ich wünsche Ihnen vor allem gutes Gelingen im Finden von Kompromissen, die unser Land weiterbringen. Ich werde gerne von weit weg verfolgen, wie diese Resultate aussehen.» Hier die wichtigsten Etappen ihrer Karriere im Überblick.
Der Weg in den Bundesrat
Tochter eines Bundesrats
Eveline Schlumpf wird am 16. März 1956 in Felsberg GR geboren. Sie ist eine von drei Töchtern von Trudy und Leon Schlumpf, seinerseits Bundesrat von 1980 bis 1987. Die Juristin wird nach Eugène Ruffy das zweite Mitglied des Bundesrates, dessen Vater schon Bundesrat war.
In Erinnerung an ihre Schwester
Die Familie Schlumpf muss einen harten Schicksalsschlag verkraften: Tochter Carmen – rechts auf dem Familienfoto vom Dezember 1979 – starb mit 23 Jahren bei einem Autounfall. Später tauft die Politikerin ihre erstgeborene Tochter nach ihr. Es folgen zwei weitere Kinder.
Erste Regierungsrätin im Kanton Graubünden
Sie wird Bezirksrichterin, Bezirksgerichtspräsidentin, Vizepräsidentin der SVP Graubünden, Grossrätin – und ab März 1998 – die erste Frau im Bündner Regierungsrat. Sie übernimmt das Finanz- und Militärdepartement und wird zweimal Regierungspräsidentin.
SVP bringt Widmer-Schlumpfs Namen ins Spiel
Der damalige Parteipräsident der SVP, Ueli Maurer, bezeichnet Widmer-Schlumpf im Vorfeld der Nationalratswahlen 2003, als es um einen zweiten Sitz der SVP im Bundesrat geht, in einem NZZ-am-Sonntag-Interview als «eine sehr valable Kandidatin, eine der kompetentesten Politikerinnen hierzulande».
Höchste kantonale Finanzdirektorin
Von September 2001 bis zum Antritt ihres Bundesratsamtes präsidiert Eveline Widmer-Schlumpf die kantonale Finanzdirektorenkonferenz. Von Mai 2004 bis Ende 2007 ist sie zudem Mitglied im Bankrat der Nationalbank, ab März 2007 als dessen Vizepräsidentin.
Ausschluss aus der SVP Schweiz
«Elue est Madame Eveline Widmer-Schlumpf»
Am 12. Dezember 2007 wird sie anstelle des offiziellen Kandidaten Christoph Blocher in den Bundesrat gewählt. Bei einem absoluten Mehr von 122 Stimmen erhält sie 125 Stimmen, Blocher 115. Zu diesem Zeitpunkt sitzt sie noch im Zug von Chur nach Bern.
SVP setzt Widmer-Schlumpf unter Druck
Fraktionschef Caspar Baader droht ihr bei Annahme der Wahl mit dem Ausschluss aus der SVP-Fraktion. Er spricht von Verrat. Ebenso ergeht es VBS-Vorsteher Samuel Schmid, der seinen Sitz nicht für Blocher freimacht. Seither gilt eine Ausschlussklausel für nicht offizielle SVP-Bundesratskandidaten, die eine Wahl annehmen.
Bedenkzeit vor Annahme der Wahl
Einen Tag nach ihrer überraschenden Wahl nimmt die Bündnerin – damals noch als Mitglied der SVP – das Amt an. Sie habe sich umentschieden, um den Sitz der SVP im Bundesrat zu retten, sagt sie. Damit sitzen erstmals drei Frauen gleichzeitig im Bundesrat.
BDP splittet sich von SVP ab
Die SVP Graubünden weigert sich, Eveline Widmer-Schlumpf aus der Partei auszuschliessen, wie es die Mutterpartei fordert. Also schliesst der Zentralvorstand der SVP Schweiz die Kantonalpartei am 1. Juni 2008 aus der SVP Schweiz aus. Das führt zur Gründung der Bürgerlichen Demokratischen Partei BDP in Chur. Widmer-Schlumpf, kurz «EWS», vertritt von nun an die BDP in der Landesregierung.
Unterstützung nach 100 Tagen im Amt
Am 11. April 2008 nehmen über 12'000 Personen – mehrheitlich Frauen – an einer Sympathiekundgebung für Eveline Widmer-Schlumpf auf dem Bundesplatz in Bern teil. Bis Oktober 2010 bleibt sie Vorsteherin des Justiz- und Polizeidepartements.
Zwei Amtszeiten, vier Enkelkinder
Beim Publikum ist sie beliebt
Widmer-Schlumpf wird am 10. Januar 2009 in Zürich zur Schweizerin des Jahres 2008 in Kategorie Politik gewählt. Es ist nicht die einzige Auszeichnung: 2008 ist sie die erste Preisträgerin der Arosa Humorschaufel, eines Jurypreises des Arosa Humor-Festivals.
Departementswechsel nach drei Jahren
28. Oktober 2010: Das Bankgeheimnis wackelt bereits, als der abtretende Bundesrat Hans-Rudolf Merz Widmer-Schlumpf den Schlüssel für das Finanzdepartement übergibt. Andere wichtige Dossiers sind der automatische Informationsaustausch, die Unternehmenssteuerreform III und das Bundesbudget.
An der Spitze des Gesamtbundesrats
Die Wiederwahl für eine zweite Amtszeit geht problemlos über die Bühne – trotz Angriff der SVP erhält sie 131 Stimmen. Im Jahr 2012 hat Eveline Widmer-Schlumpf turnusgemäss das Amt der Bundesratspräsidentin inne, im Jahr davor ist sie Vizepräsidentin.
Die strahlende vierfache Grossmutter
In Felsberg wird sie nach ihrer Wahl zur Bundespräsidentin von der Bündner Regierung und der Bevölkerung zu offiziellen Feierlichkeiten empfangen. Widmer-Schlumpf zeigt sich stolz mit Tochter Carmen und ihrem Enkel Curdin-Mattia im Arm. Inzwischen hat sie vier Enkel.
Seltener Auftritt mit Ehemann Christoph
Ihr Privatleben tritt die Regentin nicht in den Medien breit. Widmer-Schlumpf und Ehemann Christoph, von Beruf Bauingenieur, posieren anlässlich des Galadinners zu Ehren des italienischen Staatspräsidenten Giorgio Napolitano am 20. Mai 2014 in Bern.
Rücktritt nach Wahlniederlage
«EWS» räumt das Feld für SVP-Nachfolger
Bei den Wahlen vom 18. Oktober 2015 erleidet die BDP eine Schlappe. Zehn Tage danach verkündet die 59-Jährige ihren Rücktritt. Die Ersatzwahl am 9. Dezember entscheidet Guy Parmelin, einer von drei offiziellen Kandidaten der SVP, für sich. Er rutscht ins VBS, da Ueli Maurer die Finanzen von Widmer-Schlumpf übernehmen möchte.
Zum Abschied Applaus von links bis rechts
Widmer-Schlumpf bedankt sich in ihrer Abschiedsrede vor der Vereinigten Bundesversammlung für das entgegengebrachte Vertrauen. Der Weg der Schweiz bestehe darin, einander zuzuhören, andere Meinungen und Minderheiten zu respektieren und Kompromisse zu suchen, sagt sie, und erntet stehende Ovationen.