Kirchliche Stiftungen gehören zu den ältesten Stiftungen in der Schweiz. Trotzdem ist wenig über sie bekannt.
«Schlafende Hunde geweckt»
Die Zürcher FDP-Nationalrätin Doris Fiala ist mit einer Motion für mehr Transparenz bei kirchlichen Stiftungen im Parlament gescheitert – auch am Einfluss von Martin Grichting, dem Generalvikar des Bistums Chur, der sich für den Status quo einsetzte. Doch Fragezeichen bleiben.

Stiftungen als Vehikel für Geldwäscherei und Terrorismusfinanzierung? Ursprünglich zielte Doris Fiala auf muslimische (Vereine und) Stiftungen ab, als sie 2017 mit einer Motion im Parlament forderte, religiöse Stiftungen seien zu mehr Transparenz zu verpflichten und nötigenfalls der staatlichen Aufsicht zu unterstellen.
Eigentlich habe ich hier schlafende Hunde geweckt und diese haben sich nicht nur ein bisschen verlauten lassen, sondern so richtig verbal zugebissen.
Reagiert auf diesen Vorstoss hat aber vor allem die katholische Kirche, hauptsächlich das Bistum Chur. «Eigentlich habe ich hier schlafende Hunde geweckt und diese haben sich nicht nur ein bisschen verlauten lassen, sondern so richtig verbal zugebissen», meint Fiala heute.
Sonderfall im Stiftungswesen
Kirchliche Stiftungen sind Stiftungen, die eng mit einer Religionsgemeinschaft verbunden sind und einen kirchlichen oder religiösen Zweck verfolgen. Die Aufsicht hat die Kirche selbst und nicht der Staat. Kurz: kirchliche Stiftungen sind juristisch ein Sonderfall im Stiftungswesen. Wie viele kirchliche Stiftungen es in der Schweiz gibt, ist unklar. Schätzungen reichen von 1000 bis 2000. Bis 2021 müssen sich alle kirchlichen Stiftungen im Handelsregister eintragen lassen. Doch bis jetzt registrierten sich erst ein paar Dutzend kirchliche Stiftungen.
Warum das so ist und wie viele weitere Eintragungen sie noch erwarten, das können die Behörden nicht sagen. Weder das Eidgenössische Handelsregisteramt noch die Eidgenössische Stiftungsaufsicht sind gesprächig, wenn es um kirchliche Stiftungen geht. «Nicht in unserer Zuständigkeit», heisst es dort und da. Und die grösste kantonale Stiftungsaufsicht, jene in Zürich, verweist uns ans Bistum Chur, genauer an Martin Grichting, den Generalvikar, der für die Aufsicht über die kirchlichen Stiftungen im Bistum zuständig ist.
«Motion Fiala» für mehr Transparenz
Das ist insofern bemerkenswert, weil sich die Kritik von Fiala in erster Linie an ihn richtet. Und auch er war es, der am heftigsten reagiert hat, als Fiala im Parlament mit ihrem Antrag für mehr Transparenz bei kirchlichen Stiftungen vorstellig wurde. Dass diese sich bis 2021 im Handelsregister eintragen müssen, das sei ein erster Schritt, sagt Fiala.
Der Staat müsse aber weiter gehen und die Aufsicht über die kirchlichen Stiftungen übernehmen, betont die Nationalrätin. Wer sich mit Governance befasse, der wisse, dass eine Institution sich nicht selbst beaufsichtigen könne. «Genau das ist aber in der katholischen Kirche der Fall», ärgert sich Fiala.
Grichting wehrt sich: Es gebe keinen Grund etwas am Status quo zu verändern. Dass die kirchlichen Stiftungen sich ins Handelsregister eintragen müssten, sei richtig.

Zahlen zu Vermögenswerten würden die kirchlichen Stiftungen zwar nicht veröffentlichen, räumt Grichting ein. Vertreter der staatskirchenrechtlichen Organisationen könnten sie aber einsehen. Massnahmen, die darüber hinaus gehen, seien nicht nötig: «Transparenz ist durchaus gegeben. Es ist auch nie bekannt geworden, dass katholische Kirchenstiftungen irgendwo Terrorismus finanziert hätten oder Geld gewaschen haben.»
Stiftungen werden immer wichtiger im Bistum Chur
Die Stiftungen sind insbesondere für das Bistum Chur wichtig. Stärker als andere Bistümer, die vor allem von den Steuern der Gläubigen leben, ist Chur von den Erträgen der eigenen Stiftungen abhängig.
Die Stiftungen des Bistums besitzen Ländereien, Gebäude und eine – die Stiftung Mensa, die für den Unterhalt des Bischofs sorgt – gar eine Tankstelle. An jedem Liter, der dort getankt wird, verdient der Bischof mit. Viel flüssige Mittel hätten alle diese Stiftungen nicht, betont Grichting. Klar ist: die Abhängigkeit von den Stiftungen wird wohl zunehmen – in dem Ausmass wie die Zahl der Gläubigen, die Kirchensteuern bezahlen, abnimmt. Und darum geht es Grichting im Grundsatz.
Wir haben ein staatskirchenrechtliches System, in dem die Bischöfe eigentlich nichts mehr zu sagen haben. Über die Stiftungen und ihre Aufsicht sind sie aber doch präsent.
Grichting, der den Einfluss des Staates und der demokratischen kirchlichen Organe zurückbinden möchte, fürchtet um den Einfluss der Kirche: «Wir haben ein staatskirchenrechtliches System, in dem die Bischöfe eigentlich nichts mehr zu sagen haben. Über die Stiftungen und ihre Aufsicht sind sie aber doch präsent. Würde das verändert, wäre das ja auch ein Eingriff gewesen ins ganze Gefüge von Kirche und Staat und das wollten wir nicht.»
Generalvikar Grichting hat im Parlament eine Mehrheit überzeugen können. Während die Motion Fiala im Nationalrat noch eine Mehrheit hatte, blieb sie im Ständerat chancenlos. Die Diskussion um kirchliche Stiftungen, um ihre Transparenz und Aufsicht wird aber weitergehen. Und sie wird möglicherweise wieder aufflammen, wenn einmal bekannt sein wird, wie viele und welche Kirchenstiftungen sich im Handelsregister eingetragen haben.
Schon im Mittelalter problematisch
Neu ist die Kritik an kirchlichen Stiftungen übrigens nicht. Im Mittelalter stand bei den allermeisten Stiftungen das Seelenheil des Stifters im Vordergrund. Unzählige Kirchen und Klöster in Europa gehen auf Stiftungen durch Adelige zurück. Und bereits damals standen hin und wieder kirchliche Würdenträger unter dem Verdacht, Mittel für sich abzuzweigen.
Sebastian Scholz, Professor für frühmittelalterliche Geschichte an der Universität Zürich, zitiert den Kanon des Konzils von Orléans im Jahr 549: «In den Dokumenten dazu wird ausdrücklich gesagt, dass sich der Bischof von Lyon bitte nicht an den Gütern einer Stiftung zu vergreifen habe und dass die anderen Bischöfe darüber wachen sollen, dass da kein Unfug getrieben wird.»
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