Marcel van der Heijden arbeitet bei der landwirtschaftlichen Forschungsanstalt Agroscope in Zürich. Der Wissenschaftler steht auf dem Feld, in der einen Hand den Spaten, auf der anderen ein sich windender Regenwurm. Der Boden und das Leben im Boden werde völlig unterschätzt, sagt er.
«In einer Handvoll Erde hat man Milliarden von Bakterien. Wenn man es auf einen Hektar hochrechnet, gibt das bis zu 15 Tonnen Biomasse an Lebewesen. Das ist vergleichbar mit 20 Kühen, die sozusagen unter der Erde leben.» Oberirdisch könnte sich rund ums Jahr nur eine Kuh von der gleichen Wiesenfläche ernähren, sagt van der Heijden.
Das unterirdische Geflecht von Pilzfäden zum Beispiel sorgt dafür, dass gewisse Pflanzenarten überhaupt an Nährstoffe gelangen, die sie brauchen. Kurz gesagt: Je höher die Vielfalt im Boden, umso besser gedeihen die Pflanzen, die wir essen.
Doch der Landwirtschaftsboden in der Schweiz sei in Gefahr. Das sagt nicht nur van der Heijden, sondern auch viele andere Agrarexperten. Vielerorts werde der Boden von den Bauern zu stark genutzt: «Wenn man sehr intensiv wirtschaftet, gibt es Bodenerosion und viele Nährstoffe werden ausgespült», so der Wissenschaftler.
Gefahr: Zu lockerer oder zu dichter Boden
Ein Problem ist das zu häufige und zu tiefe Pflügen. Es führt nicht nur dazu, dass Boden bei starkem Regen weggeschwemmt wird, es schadet auch den Bodenlebewesen. Besser sei es, nur oberflächlich oder gar nicht zu pflügen, sagen die Forscher. Am besten sei der Boden immer bedeckt.
Eine weitere grosse Gefahr sei das Zusammenpressen der Böden durch die immer schwereren Traktoren: «Wenn es nass ist und man über das Land fährt, wird der Boden sehr stark verdichtet. Die Folge sind Ernteverluste», sagt van der Heijden.
Auf den Versuchsäckern bei Agroscope wurde der Boden absichtlich verdichtet. Der Ertrag nahm im Folgejahr um 20 bis 80 Prozent ab. Die Zahl der Regenwürmer halbierte sich. Die Bauern müssten also umdenken, sagt van der Heijden – besser planen und auf leichtere Traktoren setzen.
Das ist gar nicht so einfach, sagen dazu die Bauern. Auch bei ihnen ist der richtige Umgang mit dem Boden ein grosses Thema. Ueli Hug zum Beispiel, ein konventioneller Bauer aus dem Rafzerfeld im Norden des Kantons Zürich, hat eine kleine Versuchsfläche angelegt, auf der er bodenschonend wirtschaftet.
Er hatte zwar viel Unkraut, weil er nicht mehr spritzte und nur oberflächlich pflügte, aber der Ertrag war in Ordnung. Und in der Erde auf seinem Spaten tummeln sich gleich mehrere Würmer: «Das wäre das Ziel. Hier haben die Würmer auch Nahrung: Die Oberfläche ist bedeckt mit Ernterückständen. Unten hat es jedoch nichts.»
Unten hat er tief gepflügt und will Kartoffeln anpflanzen. Es wäre schon auch ohne Pflügen gegangen, «aber das Problem ist, dass ich dann im Frühling eine Chemiekeule hätte benutzen müssen», sagt Hug. Pflügen und damit den Bodenlebewesen schaden oder Glyphosat spritzen – ein Dilemma!
Ähnlich sei es bei den zu schweren Traktoren im nassen Feld: «Es ist ein Fakt: Die Bodendrücke sind da. Aber man muss ins Feld, wenn Erntetermin ist.» Zu lange könne er nicht warten, sonst gehe die Ernte kaputt.
In der Praxis ist bodenschonendes Bauern also gar nicht so einfach, wie's tönt. In einem aber sind sich Forscher und Bauer sofort einig: Der Schutz des Ackerbodens bekommt bis heute zu wenig Beachtung: «Der Boden ist unsere Grundlage und unsere Nahrungsmittel das wichtigste Gut, das wir haben.»