Während für einige heute Donnerstag die Auffahrt Jesu in den Himmel im Vordergrund steht, geniessen andere die arbeitsfreie Zeit. Die Denkfabrik Avenir Suisse schlägt deshalb vor, religiöse Feiertage aufzuheben und sie den Arbeitnehmenden als flexible freie Tage zur Verfügung zu stellen. Denn, so Avenir-Suisse-Ökonom Fabian Schnell: «Für die Allermeisten haben die Feiertage die religiöse Bedeutung verloren.» Thomas Wallimann vom Institut für Sozialethik sieht das anders. Er hält an fixen Feiertagen fest.
SRF News: Was sagen Sie als Vertreter der katholischen Kirche zum Vorschlag von Avenir Suisse, religiöse Feiertage abzuschaffen?
Thomas Wallimann: Grundsätzlich muss man sich fragen, ob Feiertage nur eine religiöse Institution oder doch mehr sind. Ich finde, dass Feiertage Ausdruck der Verbundenheit der Menschen als Gesellschaft sind. Und deshalb ist es wichtig, wie wir diese Verbundenheit gestalten. Denn das Leben ist bekanntlich mehr als nur Arbeit. Es umfasst auch Wert- und Sinnfragen.
Wären die Menschen nicht frei, ihre Feiertage dennoch zu beziehen?
Das ist ein zu individualistisches Bild. Wir funktionieren als Gemeinschaft weit über das hinaus, was uns die Arbeit vorgibt. Die Feiertage bringen einen Rhythmus in unser Leben. Deshalb wäre ich sehr vorsichtig damit, diese abzuschaffen, oder nur darauf zu achten, ob es eine Frage der Religion ist.
Die Feiertage bringen einen Rhythmus in unser Leben.
Man muss sich fragen, wofür Feiertage in der Lebensgestaltung einer Gesellschaft und eines Menschen überhaupt stehen.
Viele Leute kennen den Ursprung religiöser Feiertage nicht mehr...
Ja, viele kennen deren konkrete Bedeutung nicht. Aber das heisst nicht, dass sie die Tage nicht mit einer Bedeutung füllen, die weit über die Arbeit hinausgeht. Ein Student sagte mir, Auffahrt müsse bleiben, weil das der Termin für das gemeinsame Familienfest sei. Solche Dinge können sie nicht einfach individualisieren. Das verlagert die Gestaltung der Gesellschaft auf den Einzelnen. Und damit ist der Mensch meiner Ansicht nach überfordert.
Wir konsumieren rund um die Uhr, auch an Sonn- und Feiertagen. Gibt es das Bedürfnis nach fixen Feiertagen in der Gesellschaft überhaupt noch?
Ruhetage und insbesondere Feiertage rhythmisieren unser Leben. Sie machen Musik aus unserem Alltag. Auch Arbeitsspezialisten wissen, dass Rhythmen die Arbeit spannend machen. Wir sind ja keine Roboter, die einfach arbeiten, solange der Stecker drin ist.
Ruhetage und insbesondere Feiertage machen Musik aus unserem Leben.
Das heisst, der Feiertag unter der Woche ist wie eine spezielle Farbe im Alltag. Man kann auch sagen: Die Feiertage sind das Salz in der Suppe der täglichen Arbeit, des gesellschaftlichen Lebens. Darum muss man Sorge dazu tragen.
Das ist ein weltliches Argument. Spielt die religiöse Bedeutung für Sie als katholischer Theologe eine untergeordnete Rolle?
Sie spielt für mich eine wichtige Rolle. Aber ich weiss, dass ich in einer säkularen Welt lebe, zusammen mit Menschen muslimischen, buddhistischen und anderen Glaubens. Und ich weiss, dass wir dieses Zusammenleben gestalten müssen. Darum müssen wir anders an die Feiertage herangehen.
Dass ich den Tag als ein Kernfest meines Glaubens feiere, ist unbestritten.
Dass ich die Auffahrt als ein Kernfest meines Glaubens feiere, ist unbestritten. Deshalb schaue ich auch, dass das in meiner Pfarrei so ist. Das sind aber zwei verschiedene Flughöhen. Im Sinne einer gesamtgesellschaftlichen Betrachtung gehört es sich, darauf Rücksicht zu nehmen, dass wir nicht alle katholisch sind – was wir auch nie waren.
Das Gespräch führte Brigitte Kramer.