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Schweiz Gewalttäter und ihre Sehnsucht nach Ruhm

Würzburg, München, Salez. Der Eindruck entsteht, dass sich in den vergangenen Wochen vermeintlich ähnliche Verbrechen gehäuft haben. Bauen solche Taten aufeinander auf? Durchaus möglich, sagt der Forensiker Jérôme Endrass. Eine besondere Verantwortung gibt er dabei den Medien.

Ende Juli schlägt ein 17-Jähriger in einem Regionalzug in Würzburg mit einer Axt auf Fahrgäste ein. Wenige Tage später erschiesst ein 18-Jähriger in München zehn Personen. Anfang August sticht ein Mann in London auf Passanten ein. Und nun die Attacke in einem Regionalzug in Salez. Taten, die sich auf den ersten Blick gleichen. Die Frage liegt nahe: Handelt es sich hierbei um Nachahmungstäter?

Jérôme Endrass

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Legende: srf

Der studierte Psychologe ist stv. Leiter des Psychiatrisch-Psychologischen Dienstes im Amt für Justizvollzug des Kantons Zürich. Er leitet zudem die Arbeitsgruppe Forensische Psychologie an der Universität Konstanz.

Potenzielle Täter stützen sich auf Vorbilder

«Im Fall von Amokläufern sind solche Vorbilder ein sehr wichtiges Element», sagt der Forensiker Jérôme Endrass. Er hat in einer Studie Ursachen und Hintergründe von Amokfällen in Deutschland analysiert. Aufgrund der wenigen Fälle sei eine statistische Analyse zwar nicht möglich, doch Endrass ist überzeugt: «Es gibt einen Effekt.» Bei vielen Einzelfällen werde ganz klar Bezug auf eine vorangegangene Tat genommen.

Zum selben Schluss kommt eine US-Studie von der Western New Mexiko University der Psychologen Jennifer Johnston und Andrew Joy. Sie analysierten alle Daten, die sie über Amokläufe in den USA gefunden hatten und kamen zu einem bemerkenswerten Schluss: Demnach sei der häufigste gemeinsame Zug bei Amokläufern die Sehnsucht nach Aufmerksamkeit und Ruhm. Aus diesem Grund würden Medienberichte über Amokläufe hochansteckend auf potenzielle Täter wirken.

Reisserische Berichterstattung vermeiden

Auch Jérôme Endrass nimmt hier die Medien ganz klar in die Verantwortung. Diese sollten eine reisserische Berichterstattung unbedingt vermeiden. «Es ist nicht falsch, die Öffentlichkeit zu informieren. Angebracht wäre aber eine unaufgeregte, sachliche Berichterstattung», so Endrass. Der Forensiker plädiert dafür, Motive und Details zu einem Täter nicht zu veröffentlichen. Für potenzielle Nachahmer sei die hohe Aufmerksamkeit, welche ihren Vorbildern geschenkt würde, nämlich extrem wichtig.

Endrass spricht in diesem Zusammenhang den Amoklauf an der Columbine High School von 1999 an. Damals hätten die Behörden den Fehler gemacht, das ganze Ermittlungsmaterial zu veröffentlichen. «Dies hatte enormen Einfluss auf Jugendliche. Die Täter sind so zu einer speziellen Art von Ruhm und Ehre gekommen.»

Ein Drittel aller Gewalttaten verhindern?

Die Studie von Johnston/Joy stellt gar einen kausalen Zusammenhang zwischen der Anzahl von Amokläufen und dem medialen Echo her. Demnach haben seit dem Aufkommen des Internets und der erhöhten medialen Berichterstattung in Radio und Fernsehen in den 1990er-Jahren Amokläufe und ähnliche Gewalttaten in den USA zugenommen.

So sei die Zahl von Amokläufen oder Schiessereien in der allgemeinen Öffentlichkeit oder in Schulen in den USA seit dem Jahr 2000 signifikant angestiegen. Als möglichen Grund geben die Autoren die schnelle Verbreitung von Informationen über Soziale und Massenmedien an.

Würden sich Massenmedien und soziale Medien darauf einigen, Namen, Fotos und detaillierte Geschichten zu Tätern nicht zu veröffentlichen könnten laut Johnston/Joy ein Drittel der Taten verhindert werden. Auch Jérôme Endrass hält Medien dazu an, die Motive eines Täters nicht zu veröffentlichen. Würde man lediglich darüber berichten, dass es sich um einen terroristischen Anschlag handle oder der Täter psychisch schwer krank sei, sei schliesslich schon viel gesagt.

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